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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau
Autoren: Carl von Holtei
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Erstes Capitel.
    Schwarzwaldau liegt in einer flachen Sandgegend, seitab von der alten Straße zwischen Dresden und Berlin. Es ist, worauf schon sein Name hindeutet, von tiefen, weitverbreiteten, herrlich bestandenen Nadelholz-Waldungen umgeben, in denen zur Zeit unserer Erzählungen die mörderischen Aexte schachernder Holzhändler und ihrer Regimenter  [» Regimenter « werden in manchen Gegenden jene Leute genannt, welche bei großen Holzschlägen Oberaufsicht führen und practische Vermittler zwischen gemietheten Tagelöhnern und speculierenden Waldvertilgern abgeben.] verhältnißmäßig noch wenig gewüthet hatten, weil weder eine große Stadt, noch eine leicht fahrbare Land- oder Kunststraße durch ihre Nähe den Absatz begünstigte. Das Dorf zieht sich an breitem Sandwege eine Viertelstunde lang hin; die Kirche befindet sich in der Mitte des Dorfes. Ganz am Ende erst erhebt sich des Gutsbesitzers Wohnhaus, dessen Größe und gediegene, fast mittelalterliche Bauart an dieser Stelle überrascht. Noch überraschender wirkt in solcher, nur durch magere Getreidefelder unterbrochenen Waldung ein blühender Garten und daran grenzender frisch grünender Park, der sich mit kühlen Landseen, sammtenen Wiesen, heiteren Gruppen saftiger Laubhölzer wie ein großer Kranz um die massiven Wirthschaftsbauten schlingt. Man erkennt auf den ersten Blick, daß es der Wille eines früheren, sehr reichen Besitzers gewesen sein muß, welcher derlei Anlagen inmitten alter Kiefer- und Fichten-Wälder schuf, weil – es ihm eben so beliebte; ohne Rücksicht auf Zinsenertrag von den daran verwendeten, (ein strenger Landwirth dürfte sagen: verschwendeten), großen Summen.
    Die Bewohner des Dorfes verwunderten sich unendlich und sie kamen bei ihren Unterhaltungen im Wirthshause, wie in den Spinnstuben gar nicht darüber hinaus, daß der gegenwärtige Besitzer Emil von und zu Schwarzwaldau , seit zwei Jahren an eine junge, schöne Frau verheirathet, noch immer nicht taufen ließ? Sie halten die düstere Stille, die im Schlosse wie in dessen Umgebungen vorherrscht; die unfreundliche Verschlossenheit der Gattin; den wehmüthigen Ernst des Gatten für Folgen einer kinderlosen Ehe und bedauern dieß stattliche Paar, welchem der Himmel einen Segen vorenthält, den er Manchem der Bedauernden in allzureichem Maße fortwährend spendete.
    Wir entnehmen dieß aus einem Gespräche, welches der Verwalter, ein Revierjäger, ein Bauersmann und der Schullehrer, beim Kruge Bier sitzend, untereinander führen. Sie haben vor einigen Stunden ›den Herrn‹ ausreiten sehen, haben daran den Faden ihres Geschwätzes geknüpft und sind einig geworden, den größten Theil aller Schuld, welche die offenbar nicht glückliche Verbindung treffen könnte, auf Agnesen zu schieben, weil sie in Emil das Muster eines guten Herrn, eines redlichen Mannes verehren. Da tritt Franz ein; der Büchsenspanner, oder Leibjäger vom Schlosse, und setzt sich an ihren Tisch.
    Dieser junge Bursch, seit wenig Wochen erst im Dienst, zeichnet sich vor Andern seines Gleichen durch einen Anflug von Bildung aus, ist nicht ohne Kenntnisse, denn er hat eine Forstacademie besucht, sagt man . Aber gerade deßhalb liegt ein Schleier auf seiner Herkunft: man weiß den Ansprüchen, die er den übrigen Dorfbewohnern entgegen macht, nicht zu vereinigen, daß er den Platz eines Livreejägers angenommen? Der Verwalter sowohl, als der Revierjäger hatten über diesen Punct ihre Bedenklichkeiten schon mehrfach laut werden lassen und der Letztere hatte, da von der Herrschaft, vom Leben im Schlosse, auch von Franz die Rede war, so eben kurz vor dessen Eintritt geäußert: »Der junge Mensch muß irgendwo dumme Streiche gemacht haben, die ihn verhindern, eine früher begonnene Laufbahn mit Ehren zu verfolgen; sonst wär' er nicht Stiefelputzer bei unserm Herrn geworden. Solch' eine Stelle nimmt ein solcher Gestudirter allenfalls bei einem Fürsten, oder sehr reichen Grafen an, wo späterhin eine tüchtige Versorgung darauf folgt. Aber hier? Du mein Gott, was kann ihm blühen? Ein Revierjäger-Posten mit achtzig Thaler Gehalt und ein paar Scheffeln Deputat? Das Stammgeld lohnt nicht die Mühe. Nein, dafür hat Einer nicht Französisch gelernt und Feldmessen und alles Mögliche. Glaubt mir's, der Kerl ist ein Taugenichts!«
    Diese Meinung war vom Verwalter, vom Schulmeister und vom Mühlbauer getheilt worden; was jedoch keinen von ihnen hinderte, den Verdächtigten freundlich an ihrem Tische zu
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