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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition)
Autoren: Tobias Elsäßer
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seinem inneren Auge auf. Sein Vater, niedergestochen auf dem Boden. Sein Atem nur noch ein Röcheln. Bitte nicht, flehte er in Gedanken. Bitte nicht. Nach einer Biegung blieb er kurz stehen.
    Fabienne hielt neben ihm an. »Wir werden es schaffen.« Sie zog die Pistole aus der Jacke und löste die Sicherung. »Geh weiter. Da hinten muss die Hütte kommen.«
    Samuel gehorchte. Seine Beine marschierten ohne sein Zutun. Seine Gedanken überschlugen sich. Etwa hundert Meter über ihnen tauchte die Hütte auf. Sie war nicht besonders groß. An die rechte Seite grenzte eine Scheune, von der ein Geräusch ausging, das nicht in diese idyllische Kulisse passte. Das dumpfe Rattern eines Stromgenerators. Das orangefarbene Licht aus den Fenstern flirrte über die Wiese.
    »Wir sind gleich da. Es wird ihm nichts passieren«, sagte Fabienne leise, fast flüsternd, und übernahm wieder die Führung. Plötzlich blieb sie stehen. Samuel wollte etwas sagen, doch sie bedeutete ihm, ruhig zu sein. Jetzt sah er es auch! Von der linken Seite pirschte sich eine Gestalt an die Hütte heran. War das Kaspar Weinfeld? Sollten sie schreien? Seinen Vater warnen?
    »Was sollen wir tun?«, fragte Samuel fast tonlos.
    Fabienne zielte auf den Schatten. Was, wenn sie sich irrten? Was, wenn es gar nicht Weinfeld, der Mörder, war, der an der Hauswand entlang zum Fenster schlich? Was dann? Sie konnten doch nicht einfach drauflosschießen, ohne zu wissen, auf wen sie zielten.
    Fabienne ging in die Hocke und zog Samuel zu sich herunter. »Wer auch immer das ist, ich kann ihn nicht einfach abknallen. Das geht nicht«, sagte sie. »Wir müssen näher ran.« Sie schlich gebückt weiter. Der Schatten verharrte regungslos neben dem Fenster.

    Vincent Pinaz hörte sich die Ausführungen von Weinfeld an. Seine Schilderungen klangen nicht wie eine Lüge. Sie klangen wie das Lebenswerk eines verbitterten und vereinsamten Einzelkämpfers, der den Tod von Menschen billigend in Kauf nahm, um seiner Vision von einer gerechten Welt ein Stück näher zu kommen. Seine Augen – sie schauten durch Vincent hindurch, als würde er vor Publikum stehen und darauf warten, dass man ihm applaudierte.
    »Samuel denkt also, dass du tot bist?«, warf Vincent ein. »Er denkt, dass er dir beim Sterben zugesehen hat? Aber wozu sollte das gut sein? Und wer war derjenige, den er dort wirklich gesehen hat?«
    »Valentin, dieser raffgierige Feigling!«, spuckte Weinfeld aus. »Der seine Angestellten über Zeitarbeitsfirmen einkaufte und zu Dumpinglöhnen auf den Bau schickte. Ich habe ihn unter einem Vorwand nach Frankfurt gelockt. Ich habe gesagt, dass ich mit ihm gerne einen Deal machen würde, wenn er dir nichts von One erzählt. Seine Firma lief nicht besonders gut. Er brauchte frisches Kapital.«
    »Und dann hast du ihn kaltblütig ermordet?«
    »Nein. Das … das hat ein anderer für mich erledigt. Leider ist der Zeitplan etwas durcheinandergekommen, weshalb ihn dein Sohn gefunden hat.«
    »Und dieser Killer hat auch Reinhard auf dem Gewissen, hab ich recht?«
    »Sein Tod dürfte dir doch am wenigsten ausmachen, nachdem er ständig versucht hat, dir Anna auszuspannen.«
    »Aber deshalb hast du ihn wohl kaum ermorden lassen.«
    »Vielleicht doch. Vielleicht trägst du an allem etwas Mitschuld.«
    Vincent schüttelte ungläubig den Kopf. »Wir haben dich wirklich all die Jahre falsch eingeschätzt. Du bist absolut irre. Total gestört!« Vincent blickte zum Gewehr auf der Eckbank. Er musste irgendwie unauffällig zum Tisch kommen. »Das heißt, diese Leute, die von mir die Pläne hier haben wollen, wissen gar nicht, dass du hinter allem steckst, dass du derjenige bist, der One zu einem Spiel gemacht hast?«
    »Sie kennen mich unter anderem Namen. Sie glauben, ich bin einer dieser verwöhnten Rentner, die sich aus Langeweile einer Protestbewegung anschließen, um etwas über Computer zu lernen.«
    »Sie wissen also nicht, dass du den Stein ins Rollen gebracht hast. Dass es dein Plan war, mich zu erpressen.«
    »Es war gar nicht so leicht, die verschiedenen Möglichkeiten durchzuspielen. Aber wie hast du immer gesagt: Was man sich vorstellen kann, kann man auch umsetzen.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, was ich hier soll. Dass die Pläne hier sind, konntest du dir doch denken.«
    »Ja, das konnte ich. Aber ich wollte dir ein letztes Mal gegenüberstehen. Von Angesicht zu Angesicht. Du hast dir vielleicht nie viel aus unserer Freundschaft gemacht. Ich schon. Ich hab zu dir aufgeschaut
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