Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition)
Autoren: Tobias Elsäßer
Vom Netzwerk:
wie ein gottgläubiger Mensch, der nach Wochen des Pilgerns sein Ziel erreicht hatte und nun von seinen Kräften verlassen wurde. Endlich ließ er die Waffe fallen. Sie glitt aus seiner Hand, fiel lautlos auf den Boden. Der qualmende Lauf zeigte ins Tal. Samuel krabbelte auf allen vieren über die nasse Wiese. Keine Umwege, jetzt keine Umwege mehr. Du musst ihn retten, du musst deinen Vater retten. Seine Finger gruben sich in die Erde. Er wollte so schnell wie möglich die Hütte erreichen. Er wollte bei seinem Vater sein, wollte sehen, dass er noch lebte. Er wollte wissen, dass Vincent ihn nicht zurückließ. Nicht hier und auch an keinem anderen Ort der Welt. Er wollte ihm sagen, dass er sich nicht mehr länger verstellen musste. »Papa, wir fliegen nach Kanada. Du darfst jetzt nicht sterben«, flüsterte er atemlos.
    Als er die Hütte erreichte, sah er, wie der Killer gegen die Hauswand sank. Das Gesicht im kalten Licht seines Mobiltelefons, das neben der Waffe lag und vibrierte. Samuel ging schnell weiter, stieß die Eingangstür auf und stand im Wohnzimmer. Im Bruchteil einer Sekunde hatten seine Augen das Bild erfasst. Ein Stillleben, eine Momentaufnahme, ein Gemälde ohne Signatur. Sein Vater in der Hocke, neben dem gekrümmten Körper eines Menschen, der wie ein Embryo im Bauch seiner Mutter auf dem Dielenboden lag. Umgeben von dunklem Blut, das über die Fugen von West nach Ost davonlief. Samuel kniete sich neben seinen Vater und legte den Arm um seine Schultern. Er kannte das Gesicht des Toten. Es war der alte Mann aus dem Bunker. Der, den Badawi sofort in sein Herz geschlossen hatte.
    »Ist das Weinfeld?«, fragte Samuel.
    Sein Vater nickte. »Kaspar wollte immer mehr als wir alle. Vielleicht haben wir ihn falsch eingeschätzt. Vielleicht hatte er recht. Man kann seiner Bestimmung nicht davonlaufen. Man kann die Augen nicht einfach vor der Wahrheit verschließen.« Er wandte sich Samuel zu. »Es tut mir leid. Es tut mir alles so leid.« Er erhob sich und Samuel mit ihm.
    Fabienne kam zur Tür herein. Sie war blass und sagte kein Wort. Sie blickte auf die Leiche, dann hinüber zum Tisch, auf dem die losen Blätter durch den Luftzug vibrierten, als würden sie gleich davonfliegen.
    »Das ist Erik«, sagte Fabienne mit schwacher Stimme. »Er hat uns geholfen. Er hat uns Geld besorgt und Computer, warum ist er hier? Was ist passiert? Ist er tot?«
    Samuel ging auf Fabienne zu und nahm sie in die Arme. Von draußen hörte man das Läuten von Kirchenglocken. Es drang vom Tal herauf und war nicht besonders laut, aber inmitten der Berge schien es sich durch das Echo aufzuschaukeln.
    Fabienne löste sich von Samuel. »Es hat begonnen«, sagte sie, das Gesicht eine starre bleiche Maske. »Die letzte Phase hat begonnen.« Sie wandte sich an Samuels Vater. »Ich … ich habe Sie damals auf dem Kongress angesprochen.«
    Vincent nickte. »Ich weiß.«
    Fabienne ging hinüber zu dem Tisch mit den Aufzeichnungen, nahm sich ein eng beschriebenes Blatt heraus und überflog es. »Sie wissen, wie es weitergeht? Sie wissen, wie man es zu Ende spielt? Sie wissen, was danach kommt? Wissen Sie das?«
    Vincent schaute zuerst Samuel, dann Fabienne an. »Nein. Das weiß ich nicht. Keiner weiß es, keiner kann die Gleichung auflösen. Es sind immer zu viele Unbekannte.«
    »Werden Sie uns trotzdem helfen? Werden Sie uns sagen, was wir jetzt tun müssen?« Sie griff nach Samuels Hand und drückte sie fest.
    Vincent zögerte. »Ich … werde es versuchen. Ich hab es versprochen. Und wie es aussieht, ist die Revolution, eure Revolution, nicht mehr zu stoppen.« Er deutete zu dem gekrümmten Körper auf dem Dielenboden. »Damit hat er erreicht, was er wollte. Dass ich Verantwortung übernehme.«
    »Wollte er dich auch umbringen lassen?«, fragte Samuel. »Hat er dich deshalb hierhergelockt?«
    »Ich glaube, er wollte mir eine letzte Chance geben, mein Lebenswerk zu Ende zu bringen.«

    Kayan hörte das Läuten der Glocken. Er wusste, dass Gott ihn jetzt zu sich rief. Er wusste, dass es Zeit war für ihn, zu gehen. Und er konnte sich nicht vorstellen, wie lange seine Tochter um ihn weinen würde. Sein Blick wurde leer. Das Letzte, was er sah, war das Wort auf dem Display seines Mobiltelefons: EXIT.

Danksagung
    Na ja, dieses Buch ist ja »Nur für Verrückte!«, deshalb könnte man meinen, dass die Danksagung auch nur für Verrückte ist – und so ist es auch, in gewisser Weise. Denn sich in der heutigen Zeit mit Büchern zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher