Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition)
Autoren: Tobias Elsäßer
Vom Netzwerk:
erwachsenentypische Art von der Zeit des Studiums zu distanzieren und eine Anekdote nach der anderen preiszugeben. Die guten alten Zeiten. Die Hirngespinste. Die Visionen. Stattdessen redeten sie wehmütig über die Rebellion, die sie um Haaresbreite vom Zaun gebrochen hätten. Fünf Menschen, die von außen betrachtet zu den Gewinnern dieses Systems zählten, aber, umgeben von der Stille der Berge, vergeblich auf ein Echo warteten, das sie darin bestätigte, alles richtig gemacht zu haben.
    Vincent hatte die Waffe neben sich auf die Bank gelegt. Sie im Anschlag zu halten wie ein zweitklassiger Gangster, kam ihm übertrieben vor. Er hörte Schritte und spannte seine Muskeln an. Erneut blitzte das Bild von Samuel in seinem Kopf auf. Die Wunden. Die Augen unter einer schwarzen Binde. Wenn seinem Sohn etwas zustieß, wäre es seine Schuld. Es wäre der schreckliche Höhepunkt eines verpfuschten Lebens.
    Die Türklinke wurde nach unten gedrückt. Vincent legte seine Hand auf den Schaft der Flinte. »Kommen Sie rein«, sagte er mit fester Stimme, um dem Besucher zu signalisieren, dass er keine Angst hatte. Was mit seinem Leben geschah, war ihm egal. Hauptsache, sein Sohn überlebte. Die Tür wurde nach innen gedrückt und Vincent erstarrte vor Schreck. Vor ihm stand Kaspar Weinfeld!

Acht
    Chalet | 22 Grad | Nachts
    »Ich glaub, wir sind falsch abgebogen«, sagte Fabienne und blieb stehen. »Der Kompass spinnt.« Sie hielt ihr Handy in die Luft und wedelte damit herum. Das leuchtende Display zeichnete einen Lichtschweif in die Dunkelheit. »Scheiße!«, fluchte Fabienne, als der Pfeil auf der Karte wieder grün leuchtete. »Wir müssen zurück zur letzten Abzweigung. Das hier ist eine Sackgasse.«

    Kaspar Weinfeld sah nicht gesund aus. Sein Gesicht erinnerte an graue Teigmasse, die aus der Form geraten war. Die wenigen Haare auf seinem Kopf kräuselten sich. Seine Beine jedoch waren immer noch muskulös, als würde er jeden Tag trainieren.
    »Du!«, entfuhr es Vincent. »Du hast Samuel entführt? Du hast ihn so zugerichtet, dass er kaum noch aus den Augen sehen kann?«
    Weinfeld schüttelte den Kopf und hob beschwichtigend die Hände. »Du musst keine Angst haben, es geht ihm gut.«
    »Wo ist er?« Vincent sprang auf, machte zwei energische Schritte auf Weinfeld zu und packte ihn am Kragen. »Ich will ihn sehen! Sofort!«
    »Er ist ganz in der Nähe«, sagte Weinfeld und befreite sich aus der Umklammerung.
    »Hast du … hast du etwa die anderen umgebracht? Bist du das gewesen?«
    »Marietta und Reinhard haben Hinweise auf One im Internet gefunden, die ich als Köder ausgelegt hatte, um die Leute neugierig zu machen.«
    »Mein Gott, Reinhard auch?« Vincent lehnte sich fassungslos gegen die Wand, während Weinfeld fortfuhr.
    »Anfangs waren sie bereit mitzumachen, doch dann haben sie kalte Füße gekriegt, weil sie ihre Stellung nicht gefährden wollten. Sie wollten die Organisation, die ich aufgebaut habe, öffentlich bloßstellen.«
    »Was ist mit Justus? Warum musste er sterben? Kannte er deine Pläne?«
    »Nein. Das war zugegebenermaßen aus Rache, dem niederträchtigsten Grund für einen Mord. Er hat mich in der Gruppe nie ernst genommen. Für ihn stand von Anfang an fest, dass ich nur ein Schwätzer bin.«
    »Aber wozu brauchst du die Protokolle? Wenn du diese Hütte kennst, dann wäre es doch auch kein Problem gewesen, sie selbst zu finden. Wir hatten sie nicht besonders gut versteckt.«
    »Da hast du wohl recht.« Weinfeld drückte sich an Vincent vorbei zur Küchenzeile, wo er sich mit zitternden Händen Wasser in ein Glas füllte und in einem Zug hinunterstürzte. Er sah blass aus. Blasser als noch vor wenigen Augenblicken. »Ihr seid nie wirklich daran interessiert gewesen, etwas zu ändern«, sagte er und schenkte sich ein zweites Glas ein. »Habt immer nur debattiert und von einer besseren Welt geträumt, anstatt dafür zu kämpfen.« Er drehte sich um und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Am Ende wart ihr nichts weiter als ein Haufen elitärer Egoisten. Aus Bequemlichkeit und weil ihr selbst nicht davon betroffen wart, habt ihr euch damit abgefunden, dass sich die Lage immer weiter zuspitzt, dass Regierungen genau die Fehler machen, die wir vorausgesehen hatten. Jeder von euch wusste, dass systemrelevante Banken nichts weiter sind als ein Märchen. Ihr habt zugesehen, wie die Politiker den Leuten vorgemacht haben, dass es keine Alternative dazu gibt, immer neues Geld in den Markt zu pumpen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher