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Ohne Gewaehr

Ohne Gewaehr

Titel: Ohne Gewaehr
Autoren: Renee R. Picard
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denn in
diesem Moment hob sich der Vorhang und die Vorstellung begann. Katie und ich
standen allein auf der dunklen Bühne, zwei einzelne Lichtpunkte, umgeben von
absoluter Finsternis. Wir tanzten unsere Rollen synchron, führten gleichzeitig
dieselben Bewegungen auf. Ich schwitzte jetzt noch mehr, war verzweifelt
bemüht, mit den komplizierten Schrittfolgen mitzuhalten, die Katie vorgab.
    Dann wurde es dunkel. Ein lauter Knall schallte durch
den Saal.
    Aus heiterem Himmel schaltete sich die gesamte
Beleuchtung ein, ich sah meine Eltern im Publikum sitzen, Mr. Burton war da,
Ms. Bingham und Sascha waren auch gekommen. Und ganz vorn saß Daniel. Mein
Daniel. Er war so perfekt, sah mich mit seinen klaren, grünen Augen liebevoll
an, lächelte mir zu.
    Ich winkte zurück, hauchte ihm einen zarten Kuss hinüber,
doch sein Blick richtete sich auf etwas hinter mir. Nun standen die ersten
Zuschauer auf, lautes Stimmengewirr war zu hören. Was war denn los? Die
Vorstellung war doch noch gar nicht zu Ende?
    Schließlich drehte ich mich um und erschrak. Direkt
hinter mir auf dem Boden lag der leblose Körper Garrys. Entsetzt ging ich
näher. Sein starrer Blick war in die Luft gerichtet, die toten Augen waren weit
aufgerissen. Auf seinem Hemd hatte sich ein roter Fleck gebildet, der rasch
größer wurde.
    Ich wollte mich gerade zu ihm niederbeugen, als Katie
einen durchdringenden Schrei ausstieß. Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf
mich. Was hatte sie denn? Ich wollte zu ihr gehen, doch sie wich furchtsam vor
mir zurück, weiter auf mich zeigend. Abwehrend hob ich beide Hände und bemerkte
erst jetzt, dass ich noch immer meine Waffe festhielt.
    Verwirrt blickte ich mich um, überlegte, ob sich daraus
der Schuss gelöst haben konnte. Kommissar Santoro und sein sommersprossiger
Assistent kamen hinter der Bühne hervorgelaufen und rannten direkt auf mich zu,
wollten mich offensichtlich festnehmen oder unschädlich machen.
    Ich hielt Santoro meine Waffe hin, doch bevor er sie
ergreifen konnte, schreckte mich eine Bewegung im Zuschauerraum auf. Mr. Pong
und dem Anzugträger war es irgendwie gelungen, ins Theater zu gelangen. Nun
bahnten sie sich einen Weg durch die Sitzreihen, um zur Bühne zu gelangen. Viel
zu spät bemerkte ich, dass sie es gar nicht auf mich abgesehen hatten, sie
hielten auf den Platz zu, auf dem Daniel noch immer saß.
    Aufgeregt versuchte ich, ihn darauf aufmerksam zu
machen, doch er verstand meine abrupten Bewegungen nicht, stand stattdessen auf
und kam mir entgegen.
    Entsetzt beobachtete ich, wie Mr. Pong eine Pistole
zog. Auch der Anzugträger schlug das Jackett zurück, unter dem der silberne
Griff eines Revolvers zum Vorschein kam. Beide erhoben ihre Waffen gleichzeitig
und zielten auf Daniel, der sich noch immer nicht umgedreht hatte.
    Wie erstarrt betrachtete ich von der Bühne aus das
Geschehen, musste ohnmächtig mit ansehen, wie die beiden näher an Daniel
herankamen, sich wenige Meter hinter ihm positionierten.
    Da zog ich meine Waffe und schoss. Es wurde wieder
stockdunkel. Ein lauter Knall dröhnte durch das Theater, Menschen schrien in
wilder Panik auf und ich hörte, wie sie umherrannten.
    Ein weiterer Schuss donnerte durch die Finsterkeit, es
folgten in kurzem Abstand ein dritter und dann noch ein vierter Knall. Die Luft
dröhnte.
    Das Licht ging wieder an. Der Anzugträger lag reglos am
Boden, Mr. Pong krümmte sich auf einem Stuhl zusammen und vor der Bühne lag
Daniel. Mein Herz blieb fast stehen beim Anblick seines reglosen Körpers. Ich
rannte, nein, ich flog zu ihm, erreichte ihn, umarmte ihn, küsste ihn.
    »Daniel, bleib bei mir! Du darfst nicht gehen. Du
kannst mich doch nicht einfach verlassen!« Ich schmiegte mich fest an seinen
warmen Körper, spürte seinen heißen Atem auf meiner Haut. Ich schlang meine
Arme um ihn, hielt ihn fest, hielt mich an ihm fest. Tränen rannen über mein
Gesicht.
    »Lass los, Baby. Lass mich gehen. Du darfst mir nicht
folgen, nicht hierbei.« Sein Atem ging schwer, es kostete ihn Kraft, seine
Augen noch einmal zu öffnen und mir ein letztes Lächeln zu schenken. Mit dem
Finger wischte er eine einzelne Träne aus meinem Gesicht. »Es ist schwer
loszulassen. Aber es muss sein. Darüber sind wir uns doch einig?«
    Vor kaum einer Woche hatte ich seinen Worten noch
zugestimmt, doch schon damals wusste ich, dass ich ihn niemals einfach
freigeben könnte. Jetzt schüttelte ich nur den Kopf. Die Tränen schnürten mir
die Kehle zu.
    Ein letzter Knall
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