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Ohne Gewaehr

Ohne Gewaehr

Titel: Ohne Gewaehr
Autoren: Renee R. Picard
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grelles Neonlicht erhellte die Wartehalle
und ließ die Gesichter der Neuankömmlinge noch verschlafener aussehen.
    Ich trat nervös vom einem Fuß auf den anderen während
ich in einer endlosen Schlange darauf wartete, dass mein Pass abgestempelt
wurde. Je näher ich dem kleinen Pult mit dem Beamten der Einwanderungsbehörde
kam, umso angespannter wurde ich. Würde mich jemand erkennen? Gab es vielleicht
einen Warnhinweis im Computersystem? Oder registrierte man meine Einreise
schweigend, um später die Behörden der Insel zu alarmieren?
    Der Thai am Schalter trug eine Uniform mit drei goldenen
Sternen, damit musste er einer der höheren Beamten hier sein, denn seine
Kollegen an den übrigen Schaltern hatten alle nur ein oder zwei Sterne auf den
Schulterpolstern. Er war sichtlich genervt von seiner Arbeit, klatschte den
Abzufertigen ein ums andere Mal wütend den Pass vor die Nase, nachdem er darin
herumgestempelt hatte oder fuhr sie barsch an, die Einreisekarte erst auszufüllen
und sich dann erneut einzureihen. Er nahm meinen Pass mit derselben verächtlichen
Geste, blätterte lustlos darin herum und entnahm ihm schließlich das
ausgefüllte Kärtchen, um es zu studieren. »Sind Sie zum ersten Mal auf Phuket?«,
wollte er von mir wissen.
    Ich schrak zusammen, zuvor hatte er keinem der
Touristen auch nur eine einzige Frage gestellt. »Nein, ich bin vor ein paar
Monaten schon einmal hier gewesen, mit Freunden aus Bangkok«, antwortete ich
wahrheitsgemäß.
    Er brummte etwas vor sich hin, was weder zustimmend
noch ablehnend klang. Neben mir wurde ein junger Mann mit frostigen Worten
darauf hingewiesen, seine Sonnenbrille abzunehmen, damit man ihn mit einer
kleinen Kamera erfassen konnte. Ob man mein Foto einer Gesichtserkennung
unterzog? Dauerte die Abfertigung deshalb so lange?
    »Wieso kommen Sie hierher?«, fragte der Drei-Sterne-Beamte
mich.
    »Urlaub«, gab ich kurzangebunden zurück. Was hätte ich
auch sonst sagen sollen? Dass ich auf der Flucht vor dem unbekannten Mörder
meines besten Freundes war? Dass ich zufällig hier angekommen war, mit dem
Flugticket, dass eigentlich Garry gehört hatte?
    »Sie sehen gar nicht aus, als wollten Sie hier Urlaub
machen. Auf Ihrem Ticket ist vermerkt, dass Sie ohne Gepäck reisen. Warum sind
Sie wirklich hier?« Der Mann ließ die Hände sinken, in denen er meinen Pass
hielt. Dann hob er den Kopf und blickte mir misstrauisch ins Gesicht.
    Hinter mir regten sich die Wartenden und leises Gemurmel
machte sich breit, wegen der Verzögerung bei der Abfertigung. Die kleine
Wartehalle war randvoll, eben musste ein weiteres Flugzeug aus China oder
Hongkong gelandet sein, denn am Ende der Schlangen drängten sich Tourguides mit
Fähnchen und riefen etwas in die Menge.
    Doch der Mann am Schalter blickte mich seelenruhig an,
als ging ihn das Geschehen vor seinem Pult gar nichts an. Er hatte alle Zeit
der Welt und schien zu überlegen, wie er weiter mit mir verfahren sollte.
Insgeheim hoffte ich darauf, dass seine Faulheit vielleicht siegte und er mich
als lästigen Störfall ansah, den er besser ignorierte, wenn er noch rechtzeitig
seine Frühstückspause antreten wollte.
    Aber ich hatte mich getäuscht. Plötzlich erhob er sich
und winkte mir mit einer schlichten Handbewegung zu. »Mitkommen!«, befahl er
mir.
    Ich zog den Kopf zwischen die Schultern, nahm meine
Handtasche und folgte dem Beamten in eine Art Büro, dass sich direkt an der
Seite der Abfertigungshalle befand. Dort wartete ein weiterer Beamter auf mich,
er hatte dreieinhalb Sterne und zwei Streifen auf der Uniform. Nur daran konnte
ich die beiden Asiaten überhaupt unterscheiden. Obwohl ich viele Jahre hier
gelebt hatte, fiel es mir schwer, diese beiden Männer auseinanderzuhalten.
Beide waren ungefähr vierzig Jahre alt, ihre Haut hätte eine dunkle Tönung und
die schwarzen Haare waren militärisch kurzrasiert. Keiner der beiden sah
besonders begeistert aus, sich mit mir abgeben zu müssen. Und vermutlich wusste
auch keiner, dass Thailand das Land des Lächelns genannt wurde.
    »Schmuggeln Sie Drogen?«, fragte mich der
Dreieinhalb-Sterne-Beamte eindringlich.
    Genervt schüttelte ich den Kopf. »Nein, natürlich
nicht!« Welcher Drogenkurier würde das auch freiwillig zugeben?
    »Ihr Name ist nicht im Bordmanifest verzeichnet«, verkündete
der andere Beamte und zeigte seinem Kollegen dabei etwas auf dem Computer.
    »Das war eine Last-Minute-Umbuchung«, versuchte ich zu erklären.
»Mein Freund ist krank geworden und
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