Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Öl!

Titel: Öl!
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
man schnell fuhr, und wo sie wussten, dass jeder ungeduldig wurde, weil er von den Serpentinen in den Bergen und den nassen Straßen so lange aufgehalten worden war! Das also verstanden die unter Fairness, diese Verkehrsbullen!
    Sie krochen mit dreißig Meilen die Stunde dahin, das war in jenen unterentwickelten Zeiten, 1912 , das vorgeschriebene Maximum. Es nahm dem Fahren allen Nervenkitzel und ruinierte den Zeitplan. Der Junge sah plötzlich den Spürhund Ben Skutt vor sich, wie er im Foyer des «Hotel Imperial» in Beach City saß. Auch andere warteten, immer warteten Dutzende Leute in wichtigen geschäftlichen Angelegenheiten, bei denen es ums «große Geld» ging. Er hörte immer mit, wenn Dad ein Ferngespräch führte, auf die Uhr blickte, die Meilen ausrechnete und dementsprechend seine Verabredung traf. Und dann musste er pünktlich sein, nichts durfte ihn aufhalten. Falls das Auto eine Panne hätte, würde er die Koffer rausholen, den Wagen absperren, einen vorbeikommenden Fahrer an den Straßenrand winken, sich in die nächste Stadt mitnehmen lassen, dort das beste verfügbare Auto mieten – notfalls auch kaufen – und weiterfahren, und das alte Auto würde er abschleppen und reparieren lassen. Nichts konnte Dad aufhalten!
    Und jetzt kroch er mit dreißig Meilen dahin! «Was ist los?», fragte der Junge und erhielt die Antwort: «Richter Larkey!» Oh, natürlich! Sie waren im Bezirk San Geronimo, wo der schreckliche Richter Larkey Verkehrssünder ins Gefängnis werfen ließ! Niemals würde der Junge den Tag vergessen, als Dad alle Termine absagen, nach San Geronimo zurückfahren, vor Gericht erscheinen und sich von diesem selbstherrlichen Alten abkanzeln lassen musste. Meist ging es ohne solche Demütigungen ab, man gab dem Verkehrsbullen einfach seine Karte und wies darauf hin, dass man Mitglied des Automobil-klubs war; dann nickte der Polizist höflich, reichte einem einen kleinen Zettel mit dem «Kautionsbetrag», dessen Höhe sich nach der Geschwindigkeit richtete, bei der man ertappt worden war, man schickte einen Scheck über diesen Betrag und sah und hörte nichts mehr von der Angelegenheit.
    Aber hier im Bezirk San Geronimo waren sie unausstehlich geworden, und Dad hatte Richter Larkey gesagt, was er von solch hinterhältigen Tempofallen hielt, von Beamten, die sich im Gebüsch versteckten und Bürger ausspionierten. Das sei würdelos und bringe die Autofahrer nur dazu, die Gesetzeshüter als Feinde zu betrachten. Der Richter wollte besonders schlau sein und hatte Dad gefragt, ob ihm schon einmal der Gedanke gekommen sei, dass vielleicht auch Einbrecher die Gesetzeshüter als Feinde betrachteten. Das hatten die Zeitungen im ganzen Staat auf die Titelseite gebracht. «Ölunternehmer J. Arnold Ross verlangt andere Tempogesetze». Dads Freunde zogen ihn damit auf, aber er blieb dabei – früher oder später würde er eine Gesetzesänderung durchsetzen! Und tatsächlich, ihm verdanken wir, dass es heute keine heimlichen Kontrollen mehr gibt, sondern die Verkehrsstreife in Uniform patrouillieren muss, und wenn man den kleinen Spiegel im Auge behält, dann kann man so schnell fahren, wie man will.

SPONSORED READING BY WWW.BOOX.TO
    4
    Sie kamen zu einem kleinen Haus am Straßenrand mit einem Vordach, unter dem ein rundes Gebilde, halb aus Glas, halb rot bemalt, signalisierte, dass es hier Benzin zu kaufen gab. Auf einem Schild stand «Luft gratis», und Dad hielt an und bat den Mann, die Ketten abzunehmen. Mit einem Wagenheber kurbelte der Tankwart das Auto hoch, und der Junge, der wie immer hinausgesprungen war, kaum dass der Wagen gehalten hatte, öffnete den Kasten am Heck und holte die kleine Tasche für die Ketten heraus. Er wickelte auch die Schmierpistole aus ihrer Hülle. «Schmiere ist billiger als Stahl», pflegte Dad zu sagen. Er hatte viele solche Grundsätze und besaß ein ganzes Kompendium mit modernen Lebensweisheiten, die der Junge auswendig hersagen konnte. Es ging Dad nicht darum, unbedingt Geld zu sparen, auch nicht darum, dass er Schmiere verkaufte und keinen Stahl; es ging ihm ums Prinzip. Das, was man tat, musste man richtig tun, und einer schönen Maschine musste man Respekt erweisen.
    Dad war ausgestiegen, um sich die Beine zu vertreten. Er war ein kräftiger Mann und füllte jeden Zoll seines weiten Mantels aus. Seine Wangen waren rosig und immer frisch rasiert; erst auf den zweiten Blick bemerkte man Tränensäcke unter den Augen und ein ganzes Netz von Fältchen. Sein graues
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher