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Öl!

Titel: Öl!
Autoren: Upton Sinclair
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Staubwolken auf, die der Wind erfasste und über die Berge fegte; man hätte glauben können, dort marschiere ein Heer. Dann und wann bekam man kurz das rasende Auto und dahinter das Motorrad zu sehen. «Er versucht abzuhauen! O Dad, gib Gas!» Das war ein Abenteuer, wie man es nicht auf jeder Fahrt erlebte!
    «Verdammter Narr!», lautete Dads Meinung über einen Mann, der sein Leben riskierte, nur weil er eine kleine Strafe nicht zahlen wollte. Einem Verkehrspolizisten entkam man nicht, jedenfalls nicht auf solchen Straßen. Tatsächlich legten sich die Staubwolken, und da waren sie – an einem geraden Streckenabschnitt des Highways. Das Auto hatte am rechten Rand gehalten, und der Polizist stand daneben und schrieb etwas in sein kleines Notizbuch. Dad verlangsamte das Tempo auf unschuldige dreißig Meilen und fuhr vorbei. Der Junge hätte gern angehalten und sich den bei solchen Anlässen unvermeidlichen Streit angehört, aber er wusste, dass der Zeitplan Vorrang hatte, und jetzt bot sich die Chance, «abzuhauen». Nach der ersten Kurve flitzten sie los, und der Junge blickte sich in der darauffolgenden halben Stunde ständig um, doch von dem Verkehrsbullen war nichts mehr zu sehen. Jetzt galt wieder ihr eigenes Gesetz.
    5
    Vor einiger Zeit waren die beiden Zeugen eines schweren Verkehrsunfalls geworden und hatten vor Gericht aussagen müssen. Der Gerichtsdiener hatte «J. Arnold Ross» aufgerufen und danach, ebenso feierlich, «J. Arnold Ross junior». Der Junge war in den Zeugenstand getreten, hatte gesagt, er wisse, was ein Eid sei, und kenne die Verkehrsregeln und hatte genau beschrieben, was er gesehen hatte.
    Dadurch war er gewissermaßen «gerichtsbewusst» geworden. Wenn auf der Fahrt die geringste Unregelmäßigkeit vorkam, modelte die Fantasie des Jungen sie in eine Gerichtsszene um. «Nein, Herr Vorsitzender, der Mann hatte auf der linken Straßenseite nichts zu suchen, wir waren schon zu nah, ihm blieb nicht mehr genug Zeit, um das Auto vor ihm noch zu überholen.» Oder: «Herr Vorsitzender, der Mann ging nachts auf der rechten Straßenseite, und uns kam ein Auto mit blendenden Scheinwerfern entgegen. Sie wissen ja, Herr Vorsitzender, nachts sollte man auf der linken Straßenseite gehen, damit man die Autos sieht, die sich einem nähern.» Mitten in diesen Unfallfantasien tat der Junge manchmal einen kleinen Satz, und Dad fragte: «Was ist los, mein Sohn?» Dann war der Junge verlegen, weil er nicht sagen mochte, dass seine Tagträume mit ihm durchgegangen waren. Aber Dad wusste Bescheid und lächelte in sich hinein. Drolliges Kerlchen, fantasierte in einem fort vor sich hin, und sein Verstand sprang aufgeregt von einem Thema zum anderen!
    Dads Verstand war ganz anders beschaffen; der wählte sich ein Thema und blieb dabei, und die Gedanken durchwanderten ihn in gemessener, ernster Prozession; seine Gefühle waren wie ein Kessel, der sich nur langsam aufheizte. Manchmal sprach er auf solchen Fahrten eine ganze Stunde lang gar nicht; sein Bewusstseinsstrom glich einem Fluss, der zwischen Felsen und Sand versickert und verschwindet; dann bestand er nur aus einem alles durchdringenden Wohlbehagen und fühlte sich in seinem üppigen, warmen Mantel wie ein Bestandteil des leise schnurrenden Motors, der in seinem Bad aus kochendem Öl mit fünfzig Meilen die Stunde dahinfuhr. Hätte man dieses Bewusstsein auseinandergenommen, so hätte man keine Gedanken gefunden, sondern Zustände, den Zustand der körperlicher Organe, des Wetters, des Autos, des Bankkontos und des Jungen an der Seite. In Worte gefasst klingt es zu präzise und souverän – man muss sich das alles gleichzeitig und wild vermischt vorstellen: «Ich, der Fahrer dieses Wagens, früher mal Jim Ross, der Fuhrmann, und J. A. Ross und Co., Warenhaus in Queens Centre, Kalifornien, bin jetzt J. Arnold Ross, Ölboss, ich verdau grad mein Frühstück, mir ist’s ein bisschen zu warm in meinem dicken neuen Mantel, weil die Sonne rauskommt, ich hab ein neues Bohrloch in Lobos River, viertausend Barrel frei fließend, dazu in Antelope sechzehn an der Pumpe, ich bin wegen einem Pachtvertrag unterwegs nach Beach City, die verlorene Zeit holen wir in den nächsten paar Stunden leicht auf, und Bunny sitzt neben mir, gesund und kräftig, dem wird mal alles gehören, was ich jetzt anpack, der tritt in meine Fußstapfen, aber er wird nicht so dämliche Schnitzer machen oder so peinliche Erinnerungen haben wie ich, der ist gescheit und patent und tut, was ich
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