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Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Titel: Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
Autoren: Jennifer Benkau
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Wange unter den Fingern.
    Nicholas schlief und Joana fuhr die ganze Nacht hindurch.

31
    N
icholas hatte die Unterarme auf den Bartresen gelegt. Seine Fingerspitzen berührten das kühle Glas zwischen seinen Händen, in dem nur noch wenige Tropfen Osborne Veterano glitzerten wie kleine Bernsteinsplitter.
    „Kippe?“, fragte der Tourist neben ihm auf Englisch und hielt ihm ein Päckchen Lucky Strikes unter die Nase.
    Nicholas nahm wortlos eine heraus und ließ sie sich anstecken. Er sog den Rauch tief ein und fuhr fort, dem Engländer bei seinem Monolog halbherzig zuzuhören. Hin und wieder ermutigte er ihn durch einen knappen Kommentar zum Weitersprechen. Der Typ erzählte von seiner Frau, die ihn im Urlaub mit einem heißblütigen Latino betrogen hatte. Er redete sich ins Elend und Nicholas wollte dies noch ein wenig reifen lassen, ehe er sich daran gütlich tat. Dreck nochmal, er war hungrig.
    Der Barkeeper hatte es aufgegeben, die Gläser der beiden letzten Gäste unaufgefordert nachzufüllen. Inzwischen warf er bereits demonstrative Blicke auf die billige Armbanduhr an seinem fleischigen Handgelenk. Der Engländer Paul seufzte schwer.
    „Tut mir echt leid, Mann“, murmelte Nicholas, ohne zu wissen, worum es ging. „Klingt wirklich, als würdest du geradewegs durch die Hölle spazieren, was?“
    Paul nickte, verlangte wie erhofft einen weiteren Drink für Nicholas und einen doppelten für sich und jammerte weiter.
    Nicholas wusste weder, wie viel er schon getrunken hatte, noch wie spät es war. Seine Gedanken hingen im Hotelzimmer fest. 23:19 war es, als Joana mit einem heiseren Schrei aufgewacht war und sich zitternd an ihm festgeklammert hatte.
    „Hey“, sagte er leise. „Hey, Jo, es ist gut. Ich bin da, ich bin da.“
    Wie er immer da war, wenn sie schweißnass erwachte und panisch nach ihrem Asthmaspray tastete, das er meist schon in der Hand hielt. Sie presste sich an seinen Körper und er ließ sie nie wissen, mit welch hilflosem Zorn ihn ihre Träume quälten. Er konnte nichts dagegen tun. Er konnte sie mit schönen Träumen versorgen, aber ihr Alptraum bahnte sich immer wieder seinen Weg an die Oberfläche. Es wunderte ihn keineswegs. Was sie vor gut zwei Wochen durchgemacht hatte, schrie nahezu nach Alpträumen. Es wunderte ihn nicht, aber es machte ihn verrückt.
    Er streichelte ihr Haar und hielt sie fest, bis das Zittern irgendwann aufhörte.
    In den letzten Tagen hatten sie alles getan, um Entspannung zu finden. Dieses kleine spanische Hotel in Cartagena an der Costa Cálida war perfekt dazu, daher waren sie auch einige Tage hiergeblieben, statt direkt weiterzureisen. Klassisch mediterran sorgte die Gegend für das ultimative Urlaubsfeeling. Sie konnten beinahe vergessen, dass sie nüchtern betrachtet auf der Flucht waren. Beinahe.
    Tagsüber streiften sie durch die im Modernista-Stil gehaltene Altstadt, bummelten durch den Hafen, besichtigten alte Römerbauten oder die Kathedrale. Sie badeten in türkisblauem Meer, in dem die Sonne wie tausend Diamanten funkelte. Und sie gingen einkaufen. Grundsätzlich verdrehte sie die Augen beim Anblick der kurzen Sommerkleider, die ihm so gut an ihr gefielen. Sie verließen die kleinen Läden mit halblangen Khakihosen der preiswertesten Sorte und Hemden, die sie wohl beide tragen konnten. Er war nun im Besitz eines T-Shirts mit der Aufschrift ‚Come to the dark side - we have cookies’. Sie fand das irre komisch. Ihr Zugeständnis an ihn war das filigrane Armkettchen aus Platin, das einen wundervollen Kontrast zu ihrer Haut bildete. Sie akzeptierte es wohl nur, weil sie es für Silber hielt. Vom Leuchtturm La Literna aus hatten sie beobachtet, wie die Sonne frühmorgens aus dem Meer gestiegen war.
    Es waren wundervolle Tage und er genoss jeden einzelnen, ebenso wie sie.
    Noch war es fast wie Urlaub, noch fehlte ihr das frühere Leben nicht. Sie hatte ihrem Freund Benedikt einen Abschiedsbrief geschrieben. Manchmal telefonierte sie mit ihrer Mutter, die all den Wahrheiten und ihrem Fortgehen erschreckend offen gegenüberstand. Nicholas hatte seine Vermutungen Mary Sievers betreffend, aber er sprach sie nicht aus.
    Er selbst dachte oft an den Ilyan. Ob er ihn wiedersehen würde? Ihm war nicht klar, ob er sich danach sehnte oder sich fürchtete. In Hassliebe mit einem Racheengel verbunden zu sein, galt nicht als erstrebenswert. Andererseits war sonst niemand seiner ehemaligen Partner geblieben.
    In den Nächten liebten sie sich mit einer Vorsicht, die ihn
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