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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman
Autoren: Bernhard Aichner
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vorn, Herta hinter ihm. Man hörte ihre Schritte, wie sie die Steinstufen hinunterstolperten, ihren Atem, wie er wild und unkontrolliert und heftig war, man hörte, wie Herta etwas sagen wollte, sie es aber nicht konnte, wie es kurz herauskam aus ihr, dann aber stecken blieb in ihrem Mund, weil sie es nicht gewohnt war zu rennen, weil ihr Körper zu schwer war und die Stufen nicht aufhörten. Das Bild unter ihrem rechten Arm war sperrig. Sie klammerte ihre Finger um den Handlauf, sie ließ ihn immer wieder los und griff nach ihm, sie bemühte sich.
    Komm, Herta, schneller.
    Olivier rannte wie besessen. Er stolperte die Treppen hinunter. Er rannte, er hielt sich fest mit beiden Händen, er schleuderte seinen Körper um die Kurven, von Stockwerk zu Stockwerk. Aber es hörte nicht auf.
    Sie mussten hier weg. Schnell. Herta war zwei Stockwerke hinter ihm. Er hörte, wie sie langsamer wurde, wie sie plötzlich stehen blieb.
    Olivier, ich, warte, warum, warum rennst du.
    Olivier stoppte seine Beine, er drehte sich um, schaute nach oben. Er hörte sie nur, er konnte sie nicht sehen.
    Es war still im Treppenhaus. Außer ihnen war niemand da.
    Warum rennst du, hörte er sie atemlos.
    Sie röchelte es fast. Er atmete leise ein und aus. Er hörte hin, ob da sonst noch jemand war, ob eine Tür aufging oben. Aber es war still im Treppenhaus. Sie rührten sich nicht, sagten nichts, hörten nur hin, beide. Da war ihr Atmen, sonst nichts. Und dann wieder Herta.
    Olivier, wir müssen nicht rennen, ich kann nicht mehr, warte.
    Sie setzte sich auf eine Stufe, das Bild stellte sie neben sich. Olivier stieg vorsichtig die Stufen wieder hinauf. Sie war erschöpft, sie blies mit großen Augen Luft zwischen ihren Lippen nach draußen. Ein Geräusch, wie es Pferde machen, kam Olivier entgegen. Er sah das Bild, wie es friedlich dastand, Herta, wie sie ihn anlachte. Wir müssen nicht rennen, Olivier.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Wir warten hier. Kein Mensch benützt diese Treppe, setz dich, Lieber. Keiner wird uns hier finden.
    Olivier schaute nach oben, dann setzte er sich zu ihr. Eine Weile sagte er nichts und hörte nur das Geräusch, das aus Herta kam. Er versuchte, Ordnung zu finden in sich, er sah den nackten Mann vor sich, er berührte das blaue Bild.
    Es ist schön, sagte er.
    Herta nickte.
    Und es ist ein Vermögen wert, Lieber.
    Sie nahm seinen Kopf in beide Hände und drückte seine Wange an ihren Mund. Dann seine Lippen. Olivier dachte nach. Es war schwer für ihn zu akzeptieren, dass alles so einfach war. Hertas Zunge war in seinem Mund.
    Das blaue Bild stand neben ihm an der Wand.
    Er würde nie mehr auf einen Müllwagen steigen, er würde sich um den Weinkeller kümmern. Er streichelte Hertas Zunge mit seiner und hörte auf zu denken.
    Es gab keine Fenster im Treppenhaus. Neonlicht kam von der Decke. Olivier umarmte Herta.
    Herta hielt zart Oliviers Gesicht.
    Ming lag in den rosaroten Laken.
    Ben schlief jetzt.
    Onni schaute zu, wie sie tanzten. Seine Windel war wieder nass.
    Anna holte sich Toast aus der Küche und setzte sich wieder zum Fenster. Sie war bei ihren Bildern.
    Mosca zog die schwarzen Socken nach oben.
    Der Kellner läutete mit dem Frühstück.
    Das war vor sechsundzwanzig Minuten.
    Der Kellner blieb über zehn Minuten in Moscas Wohnung. Mit dem leeren Tablett kam die Aushilfe den Gang entlang, er ging langsam dahinter. Er hatte leise die Türe zugemacht und sich lange gewundert.
    Dann fuhr er wieder nach oben. Anna saß immer noch am Fenster und sah nach draußen, den Schlüssel in ihrer Hand.
    Mosca setzte sich in das weiße Ledersofa und frühstückte. Es war ein herrlicher Anzug, er hatte ihn noch nie getragen. Alles stimmte. Er hatte sich die Haare dezent nach hinten geföhnt, Parfum auf sich verteilt und sich den Stoff um die Haut gelegt. Er nahm Schinken und legte ihn auf ein Brot. Er schlug dem Ei den Kopf ab, er trank italienischen Kaffee aus einer eleganten Tasse.
    Es roch nach schönem Leben. Alles im Raum.
    Mosca kaute. Er wischte sich den Mund mit einer Serviette. Er mochte Schinken auf Vollkornbrot. Er kaute. Zufrieden und still. Er war allein.
    Und nichts, das laut war.
    Der Oberkellner sah hinüber zu Anna.
    Er wunderte sich immer noch. Sie arbeitete jetzt seit fünf Monaten hier, er schätzte sie, auch wenn sie kein Hehl daraus machte, dass sie Männer nicht mochte. Sie war freundlich, aber bestimmt und abweisend, wenn man ihr näher kam. Er ging zu ihr hin.
    Sitzt du bequem, fragte er, gefällt es
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