Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
Sofa.
    Sie hatte die Tür zugemacht und sich wieder hingesetzt, sie war allein jetzt. Die alte Frau hatte ihr erlaubt hier zu bleiben, sie hatte ihr vertraut, alles dagelassen, auch den Schlüssel. Sie hätte losfahren können, den Schlüssel ins Zündschloss stecken und losfahren können. Aber sie blieb sitzen. Sie hatte keine Eile mehr. Sie hatte alles, was sie brauchte. Sie atmete jetzt langsam und gleichmäßig. Ali würde sie hier nicht finden. Keiner würde sie hier finden. Keiner. Sie würde heute verreisen. Sie würde mit der alten Frau nach Schweden fahren. Sie würde dort glücklich sein. Sie würde es dort versuchen. Die Tüte mit dem Geld stopfte sie in die Kommode vor sich, dann legte sie sich auf das Bett mit dem rosaroten Laken. Sie lag auf dem Rücken, ihre Arme und Beine streckte sie von sich.
    Es kann dauern, hatte die Italienerin gesagt.
    Egal, hatte sie geantwortet.
    Ming zählte die Blumen auf dem Vorhang.
    Das war vor siebenundfünfzig Minuten.

24.
    Sie ging zum Lift mit diesem Gefühl und dem Schlüssel in der Hand.
    Sie können jederzeit kommen, hatte er gesagt.
    Anna fuhr vor siebenundvierzig Minuten nach oben. Sie hatte Abenddienst. Immer. Die Arbeit am Morgen mochte sie nicht. Sie würde noch einen Kaffee trinken oben und auf Frankfurt hinunterschauen. Sie hatte Glück gehabt in dieser Nacht. Sie hatte einen Mann kennen gelernt, den sie mochte, er vertraute ihr, er hatte ihr den Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben. Sie wollte noch in seiner Nähe bleiben. Unglaublich schön war das Gefühl in ihr. Es war etwas Neues. Etwas Aufregendes hatte begonnen. Mehr wusste sie noch nicht.
    Die Lifttür ging auf, sie stieg aus, holte sich Kaffee in der Küche und suchte sich einen Platz am Fenster.
    Eine schöne Stadt, dachte sie.
    Unten hatte der Tag begonnen. Anna gähnte.
    Der Schlüssel lag vor ihr am Tisch neben dem Salzstreuer. Sie schaute ihn unsicher an.
    Herta parkte in der Nähe des Haupteingangs.
    Olivier hatte sie gebeten, noch kurz zu warten. Er spürte die Angst noch, er sah das Auto vor sich, wie es ihn beinahe rammte. Die Angst lähmte ihn.
    Gleich, Herta.
    Lass dir Zeit, Olivier, wir haben keine Eile.
    Sie drückte seine Hand.
    Anna berührte den Schlüssel.
    Sie fuhr mit dem Finger die Zacken nach, sie drehte ihn, sie nahm ihn und sperrte ein Schloss in der Luft auf, sie drehte den Schlüssel nach rechts und lächelte. Sie würde in diesem Atelier malen, sie würde den Boden mit ihren Zeichnungen auslegen und ihre Arbeit zu Ende bringen. Dann würde sie ein neues Projekt beginnen, sie würde jede freie Minute dort unten verbringen, sie würde für ihn kochen, für ihn da sein, wenn er es wollte. Oder sich hinter der Tür zurückziehen.
    Sie trank und drehte den Schlüssel in der Luft.
    Mosca stand vor dem Spiegel.
    Er hatte sich den Bademantel abgestreift und stand nackt da. Aufrecht mit dem Blick in sein Gesicht. Er atmete ruhig, er beobachtete seine Brust, wie sie sich hob und wieder senkte, wie sie im selben Rhythmus auf und niederging. Seine Augen gingen wieder nach oben. Er schaute sich an, reglos. Er stand einfach nur da.
    Olivier drückte Hertas Hand und öffnete die Beifahrertür. Lass uns gehen, Herta, ich will es jetzt wissen. Willkommen zurück, sagte sie und ließ seine Hand los. Olivier nahm das Bild aus dem Kofferraum und ging über die Straße, Herta neben ihm.
    Mosca stand vor dem Spiegel.
    Er war allein. Er war nackt. Er fühlte sich schön.
    Nichts tat weh. Er schloss seine Augen. Er hob seine Arme zu Flügeln und bewegte seinen Oberkörper. Langsam. Er schwebte. Sein Spiegelbild war wie eine Skulptur in dem großen, hellen Zimmer, wie ein Bild, das nicht still stand. Er tanzte. Er rührte sich kaum. Aber er tanzte. Seine Augen waren geschlossen, er war allein, und er war froh darüber. Er schwenkte seine Arme, kreiste. Er war nackt. Er spürte seine Haut im Wind. Er spürte die Stille, jedes Stück von der Haut.
    Er dachte an Jos Zunge auf sich. Er spürte sie jetzt.
    Wie sie von oben nach unten ging, wie sie auf ihm herumflog, wie sie auf ihm landete, auf ihm tanzte, sich in ihn eingrub, stehen blieb in seiner Haut, sich schlafen legte auf ihm. Er spürte sie tief innen, er hörte sie, er spürte sie, wie seine Haut nass wurde, wie der Wind auf ihr kurz kalt war, wie sich die Haut zusammenzog, wie er kreiste, schwebte. Nichts, das laut war.
    Nichts, das weh tat. Nichts, das schnell war.
    Mosca stand vor dem Spiegel. Er war nackt. Er tanzte. Er schwebte. Jo war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher