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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman
Autoren: Bernhard Aichner
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Fremden Kaffee trank. Sie hatte ihre Arme aufgemacht und Ming war hineingestolpert.
    Ich weiß noch nicht, sagte Mirella. Schweden vielleicht.
    Ming stellte sich vor. Vorsichtig, aber freundlich.
    Ich will weg von hier, sagte sie.
    Sie trank mit der einen Hand, mit der anderen hielt sie die Tasche.
    Ich will weit weg. Wie ist Schweden.
    Ich weiß es nicht, sagte Mirella, ich werde es sehen. Ich war noch nie dort.
    Woher kommen Sie, fragte Ming.
    Italien.
    Mirella beobachtete das junge Mädchen vor sich, sie war wie ein Tier, ein Reh vielleicht, auf der Flucht. Sie atmete immer noch heftig. Sie hatte sie der Straße entlanglaufen sehen, immer geradeaus, ohne sich umzudrehen. Stolz war das chinesische Gesicht in der Morgensonne auf sie zugekommen. Eine Tüte in der Hand, gehetzt irgendwie.
    Es ist bestimmt schön dort, sagte Ming.
    Ja, aber es gibt noch so viele andere schöne Plätze, ich will an keinem bleiben.
    Mirella hörte Ming atmen, sie sah den Schweiß auf ihrer Haut und die Finger, die die Tüte fest umklammerten.
    Reisen Sie allein. Ming schaute sich um. Es war ein schöner Bus.
    Ja, sagte Mirella.
    Sind Sie nicht einsam, fragte Ming.
    Manchmal, sagte Mirella. Dann weine ich. Dann fahre ich weiter und treffe Menschen, die auch einsam sind.
    Sie lächelte in Mings Gesicht hinein.
    Ich bin nicht einsam, sagte Ming.
    Sie schwieg kurz und schaute, wie der Kaffee in ihrer Tasse hellbraun herumschwamm.
    Vielleicht bin ich es doch. Aber das ist egal. Ich brauche niemanden.
    Ming hielt das Geld ganz fest. Ihre Finger schmerzten, so krallten sie sich um das Papier. Mirella mochte Ming, jetzt schon. Sie saßen in dem Campingbus und tranken Kaffee. Sie schwiegen zusammen. Ming hielt die Tasse vor ihr Gesicht, sie versteckte sich dahinter. Ab und zu fiel ein Wort. Dann schauten sie sich an. Draußen war Tag. Die Kunsthalle würde gleich öffnen, Mirella würde Klein treffen. Ming ließ langsam die Tüte los, ihre Finger lösten sich. Sie ließ sie neben sich am Boden stehen, sie beruhigte sich.
    Sie war hier sicher. Vor ihr die alte Haut und die Falten, diese lachenden Augen.
    Ich muss gleich los, sagte Mirella.
    Ming griff sofort wieder nach der Tüte, die Finger klammerten sich wieder um die Papiergriffe und hielten sie fest. Sie musste jetzt gehen, aufstehen und gehen. Wieder auf die Straße hinaus, weg von hier. Keine Heimat hier, nicht ausruhen. Ming schaute Mirella fragend an. Mehr noch, fordernd.
    Die Ausstellung öffnet gleich, deshalb bin ich hier.
    Mirella war erschrocken, als Ming plötzlich wieder nach der Tüte gegriffen hatte, hastig und schnell, zum Rennen bereit. Sie sprach langsam und still, sie sagte es zweimal.
    Du kannst mitkommen, wenn du willst, oder du wartest hier auf mich. Du musst hier nicht weg. Bleib.
    Mirella stand vor ihr. Ming saß wie ein verschrecktes Reh auf dem Sofa. Aber im Wald gibt es keine Sofas, dachte Ming. Sie wollte aufstehen und gehen.
    Was soll ich hier. Ich brauche dich nicht.
    Mirella legte eine Hand auf Mings Schulter, drückte sie sanft in das Sofa zurück. Wenn ich in der Ausstellung war, können wir gemeinsam nach Schweden. Wenn du willst. Hier ist Platz für zwei. Ich muss in die Ausstellung, und wenn ich alles gesehen habe, komme ich wieder. Du kannst hier bleiben, wenn du willst.
    Dann ging sie aus dem Wohnmobil. Sie schaute Ming noch einmal an und ging. Ihre Augen trafen sich.
    Alte und junge. Vertraute.
    Mirella trug ein Kleid und Sandalen. Sie hatte sich schön gemacht, bevor sie zu ihm ging. Sie spazierte die Straße entlang zur Kunsthalle. Sie war aufgewacht auf der Raststation, vor drei Stunden, sie hatte die beiden gehört, wie sie wach wurden, wie sie sich umarmten, wie sie besorgt aus dem Bus zu ihr kamen, wie sie dastanden und sie anstarrten. Sie hatte den Kuss auf ihrer Wange gespürt. Ihre Augen waren geschlossen, sie bewegte sich nicht. Sie spürte den Dank für die Liebe, die sie gefunden hatten in ihrem Bus, die dicke Frau und der Mann.
    Sie verabschiedete sich von dem Bild, sie spürte, wie sie es wegtrugen, wie es von ihr wegging, aber sie blieb in ihrem Stuhl und rührte sich nicht. Sie wollte die beiden nicht aufhalten, sie wollte nach Frankfurt, hierher. Sie wollte in diese Ausstellung, sie wollte ihn wiedersehen. Mirella ging durch die Eingangshalle nach oben. Auf der Treppe schon flog er ihr entgegen. Das Foto, das sie so oft gesehen hatte. Sie stand lange da und schaute ihn an. Bonjour, sagte sie leise, sonst nichts.
    Ming saß auf dem
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