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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Autoren: Marlies Ferber
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fragte Edith verwirrt. »Suchen Sie etwas?«
    »Schon gut«, sagte er und zeigte ihr das Medikament. »Mir fiel ein, dass Eleonora mir gestern meine homöopathischen Pillen auf mein Zimmer gebracht hat. Ich wollte nur sicher gehen, dass sie nicht inzwischen in falsche Hände geraten sind. Nur für den Fall.«
    »Denken Sie, Eleonora wollte auch Sie umbringen?« Edith war blass geworden. »Ach, James, ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht früher gemerkt habe, was in meiner Schwester vorging. In welchen Nöten sie war. Wir hätten eine Lösung gefunden. Wir hätten gemeinsam aufs Land ziehen können. Ich hätte alles von ihr ferngehalten. Zwei Menschen mussten sterben, weil ich ahnungslos war. Wäre ich nur misstrauischer gewesen, als ich sah, wie sie kurz nach dem Tod von Morat in sein Apartment schlich. Als ich sie darauf ansprach, meinte sie, sie habe die Limericks gesucht, die sie ihm geschrieben hatte, weil sie nicht wollte, dass jemand anderes sie findet. Ich habe ihr geglaubt, aber natürlich ging es ihr darum, das Fläschchen mit dem Gift zu finden.«
    »Thomas hatte es im Flügel aufbewahrt«, sagte James. »Ich habe es gefunden.«
    »Jedenfalls war sie beim zweiten Versuch vorsichtiger«, fuhr Edith fort. »Ich denke, sie hat das Gift direkt in Maddisons Teetasse gegeben, als wir alle in unsere Bingo-Zettel vertieft waren.«
    »Das würde erklären, warum sie half, Maddison vom Tisch zu ziehen, und dabei das Tischtuch samt Teetassen zu Boden ging«, überlegte James. »Ganz schön kaltblütig, direkt nach dem Giftmord an die Beseitigung der Spuren zu denken.«
    Edith schüttelte den Kopf. »Kennen Sie diesen Punkt jenseits der Panik? Wenn man plötzlich wieder in der Lage ist, rational zu denken und zu handeln? Ich glaube, Auslöser für die Panik meiner Schwester war dieser Limerick, den Maddison ihr zugesteckt hatte. Der von der jungen Frau, die lächelnd auf dem Tiger in den Dschungel hineinreitet. Und dann kommt der Tiger lächelnd aus dem Dschungel wieder heraus und hat die Frau gefressen. Er gab ihn ihr mit den Worten, den habe William Morat kurz vor seinem Tod für sie aufgeschrieben, und jetzt wolle er ihn ihr geben, denn er passe gut zu ihr. Für meine Schwester war dieser Limerick eine existenzielle Bedrohung: Der Tiger frisst die Frau! Deshalb beschloss sie, den Tiger zu töten, bevor er sie fressen konnte. Er oder sie. In ihren Augen war das reine Notwehr, genau wie bei ihrem Mann.«
    »Aber vollkommen unnötig«, sagte James. »Ein fatales Missverständnis.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich denke nicht, dass William Morat oder Thomas Maddison in Ihre Schwester verliebt waren«, erklärte James. »Ich glaube vielmehr, dass beide Ihre Schwester verdächtigten, eine Erpresserin zu sein. Sie glaubten, dass Ihre Schwester Mrs White erpresste, und suchten deshalb ihre Nähe. Der Limerick war wahrscheinlich der Versuch, sie in die Enge zu treiben und zu einem Geständnis zu bringen.«
    »Eine Erpresserin?«, fragte Edith. »Eleonora? Nie im Leben! Und weswegen überhaupt?«
    »Das ist eine komplizierte Geschichte«, sagte James. »Jedenfalls hat Ihre Schwester die Annäherung der beiden völligfalsch verstanden. Menschen, die unter einer so starken Wahrnehmungsstörung leiden wie Ihre Schwester, interpretieren das Geschehen oft so, dass es zu ihrer ganz speziellen Sicht der Dinge passt.«
    »Peabody wäre der Nächste gewesen«, sagte Edith.
    »Glauben Sie?«
    »Ich weiß es. Gestern Abend beim Ball hat Julius ziemlich viel getrunken. Er wurde zudringlich und machte meiner Schwester pausenlos Komplimente. Meinte, sie habe Augen wie Smaragde, er sei noch nie im Leben so verliebt gewesen, er würde ihr die Sterne vom Himmel holen und so einen Quatsch. Schließlich blaffte er Mr Southeron an, als der es wagte, Eleonora zum Tanzen aufzufordern, und zerrte Eleonora auf die Tanzfläche mit den Worten, sie gehöre ihm. Ich denke, das war zu viel für sie.«
    »Die Hemmschwelle sinkt von Mal zu Mal«, meinte James.
    »Ja, vielleicht auch das. Als Eleonora und ich heute Morgen beim Frühstück saßen, kam Mr Peabody hinzu und fing gleich wieder an, Eleonora zu umgarnen und über Mr Southeron zu schimpfen. Es war sehr unangenehm. Ich ging zur Toilette, um Eleonora Gelegenheit zu geben, ihm die Meinung zu sagen. An der Tür zum Salon schaute ich mich noch einmal um und sah, wie Peabody sich bückte, um eine Serviette vom Boden aufzuheben. Währenddessen schüttete Eleonora schnell etwas in seinen Kaffee. Sie
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