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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Autoren: Marlies Ferber
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können sich nicht vorstellen, was in diesem Moment in mir vorging. Plötzlich wurde mir alles klar. Ich ging mechanisch weiter, wusste aber, dass mit jedem Schritt die Wahrscheinlichkeit größer wurde, dass Peabody von seinem Kaffee trank. Meine Gedanken rasten wild durcheinander, und ich geriet in Panik. Als Einziges fiel mir ein, dass ich eine Ungeschicklichkeit vortäuschen und dabei die Tasse mit dem Gift umstoßen könnte. Als ich mit diesem Plan aus der Toilette trat,kam mir Eleonora entgegen. Da war mir auf einmal alles klar. Ich hatte den Punkt jenseits der Panik erreicht und wusste jetzt, was zu tun war. Ich ging zurück an den Tisch. Zum Glück hatte Peabody seinen Kaffee noch nicht angerührt. Ich wendete denselben Trick an wie Eleonora und ließ ihn nach meinem Ring suchen, den ich unter den Tisch hatte fallen lassen. Während er suchte, vertauschte ich die Tassen von Eleonora und Peabody. Dann kam Eleonora wieder zurück.« Edith konnte nicht weitersprechen und drehte ihr Gesicht zur Wand.
    »In dem Augenblick dachte ich, es sei das Beste für Eleonora. Ins Gefängnis zu müssen, der Freiheit beraubt zu sein   – das wäre schlimmer für sie gewesen als der Tod. Aber ich konnte doch auch nicht zulassen, dass sie Julius umbringt. Und er wäre sicher nicht der Letzte gewesen. Sie hätte nicht aufgehört damit.« Edith bedeckte die Augen mit beiden Händen. »Sie hätten sie erleben müssen, James. Sie hat zugesehen, wie Julius seinen Kaffee trank, dabei charmant mit ihm geplaudert und sich für den Nachmittag mit ihm zu einem Spaziergang auf der Promenade verabredet.« Sie griff sich ans Herz. »Aber wissen Sie, James, was das Schrecklichste ist? Es fühlt sich nicht richtig an, was ich getan habe. Hier drin fühlt es sich falsch an. Ich wünschte, ich hätte den Kaffee selbst getrunken.«
    »Damit hätten Sie weder Ihrer Schwester noch Julius geholfen«, sagte James.
    »Ich habe meine Schwester ermordet.«
    »Ihre Schwester hat den Kaffee vergiftet, nicht Sie. Sie waren mit der Situation überfordert. Kein Richter der Welt wird Sie wegen Mordes verurteilen.«
    Sie setzte ihre dicke Brille auf, schlug die Bettdecke zurück, ging zum Frisiertisch und kämmte sich sorgfältig die Haare. Plötzlich nahm sie die Brille wieder ab und wischte sich mit der Hand über die Augen. »Aber ich«, sagte sie leise.
    James ging zu ihr und reichte ihr ein Taschentuch. »Warum sind Sie so freundlich zu mir?«, fragte sie, während sie sich die Tränen abwischte. Dann zog sie geräuschvoll die Nase hoch, ging zum Kleiderschrank und begann, eine kleine Reisetasche zu packen. »Rufen Sie jetzt bitte die Polizei, James. Ich bin bereit. Außerdem sind Sie wahrscheinlich der Einzige, der mir glaubt, dass Eleonora Julius vergiften wollte. Es hat sonst niemand mitbekommen.«
    »Stimmt nicht«, sagte James. »Die Überwachungskameras werden Ihre Aussage vermutlich bestätigen. So haben sie doch noch ihr Gutes.«
    »Überwachungskameras?«, fragte Edith erstaunt. »Ich dachte, das wäre nur so ein Hirngespinst von Mr Maddison gewesen.«

Epilog
    Lieber James,
     
    mir ist zusätzliche Zeit geschenkt worden. Ich meine das ganz wörtlich: Jede Stunde hier im Gefängnis vergeht so langsam, dass es einem vorkommt, als seien es zwei Stunden. So hat der Tag nicht 24   Stunden, sondern 48.   Nein, das stimmt nicht ganz, denn die Nächte sind noch länger. Meistens liege ich wach (Sie wissen ja, wir alten Leute schlafen kaum!), lausche den nächtlichen Geräuschen (Klospülungen, Schreie im Schlaf, Schlüsselgeklirre) und denke an Eleonora. Letzte Nacht, als ich dann doch noch irgendwann weggenickt bin, hatte ich einen Traum, in dem ich ihr Gesicht sah, ganz deutlich. Sie sagte: »Es geht mir gut.« Nichts weiter. Ich weiß natürlich, dass Träume nur Träume sind, aber trotzdem geht es mir seitdem besser.
    Sie werden es nicht glauben, aber die Leute hier sind ganz reizend zu mir. Alles in allem unterscheidet sich so ein Anstaltsleben nicht wesentlich von dem in Eaglehurst. Es gibt einen geregelten Tagesablauf und viel Klatsch und Tratsch. Sicher, die Aussicht in Eaglehurst war besser, von der Innenausstattung, dem Service und dem Essen ganz zu schweigen (wie vermisse ich Mrs Simmons’ Kochkünste, und wie könnte ich mich ohrfeigen, dass ich mir ihr köstliches Frühstück von Dr.   Goat habe ausreden lassen!). Aber es ist nett, dass es hier so viele jüngere Frauen gibt. Ich bin hier, was mein Alter und mein Verbrechen angeht,
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