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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Autoren: Marlies Ferber
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ein
seltenes Modell. Natürlich hat man mich mit meinen fast achtzig Jahren von der Arbeit befreit, und so saß ich tagsüber zunächst allein hier herum. Aus Langeweile habe ich dann angefangen, ehrenamtlich in der Bibliothek zu arbeiten   – das ließ sich erstaunlich unbürokratisch arrangieren   –, was mir sehr guttut.
    Stellen Sie sich vor, wer mich neulich besucht hat: Julius! Ich konnte es kaum glauben. Er hatte sogar Blumen mitgebracht, und ein paar Musik- CD s. Allesamt Märsche! Was er sich dabei wohl gedacht hat? Er berichtete auch, dass Mrs White nicht mehr in Eaglehurst ist. Ihr Prozess wird erst in einem Monat sein, aber natürlich musste sie die Leitung von Eaglehurst sofort aufgeben. Als Mr Peabody ihr zum Abschied einen Blumenstrauß brachte, wollte sie nicht sagen, wohin sie mit ihrer Tochter zieht. Wichtig sei jetzt nur Katie und dass sie einen neuen Anfang machen könne, irgendwo, wo sie niemand kennt. Sie wissen wahrscheinlich, dass ich weder Mutter noch Tochter sonderlich gut leiden konnte, aber ich wünsche den beiden, dass sie es schaffen. Noch einmal vielen Dank für alles, James. Grüßen Sie Mrs Humphrey von mir.
     
    Edith.
     
    James faltete den Brief zusammen. Der Richter hatte eine milde Strafe verhängt, im Herbst würde Edith wieder auf freiem Fuß sein. Ob sie dann wieder nach Eaglehurst zog? Er sah auf die Uhr. Sheila würde jeden Augenblick kommen. Sie waren zu einem Spaziergang in Hampstead Heath verabredet. Er erhob sich aus seinem Sessel und ging in den Flur, der ungewohnt leer wirkte. Der Rollator stand nicht mehr dort. Am Vortag hatte er ihn auf den Dachboden gebracht. Es war nicht nötig, dass er noch länger im Weg herumstand und an Zeiten erinnerte, die zum Glück vorbei waren. Andererseits mochte er sich nicht ganzvon seinem Gefährt trennen, das Sheila und ihm das Leben gerettet hatte. Er wählte einen leichten Mantel. Die Wetterstation neben der Haustür zeigte eine Außentemperatur von 19   Grad. Es war ein sonniger Tag, wie er Sheilas Überzeugung nach typisch für London war.
    Als sie den Klopfer an der Tür in gewohnt ungeduldiger Manier betätigte   – lang, kurz, kurz, lang   –, öffnete er die Tür und ließ die warme Frühlingsluft in seine Lungen strömen. Sheila hatte die Ärmel ihrer Bluse hochgekrempelt. Die ersten Sommersprossen zeigten sich bereits auf ihrer hellen Haut. Ihre Augen leuchteten.
    »Sie ist da!«, rief sie atemlos. »Die erste Rose! Ach, James, es ist einfach überwältigend, wenn das passiert. Die erste Rosenblüte des Jahres ist immer etwas Besonderes.«
    James lächelte. »Wer hat das Rennen gemacht? Peppermint oder Vanilla Fudge?« Er wusste, dass Sheila den Rosensträuchern in ihrem Garten Namen gab. Anfangs hatte er sich gewundert, dass es Namen von Süßigkeiten waren, aber inzwischen hatte er sich daran gewöhnt. Genauso wie an die Wette darum, an welchem der Sträucher sich die erste Blüte entwickeln würde.
    »Wir haben beide verloren, James, es ist weder Peppermint noch Vanilla Fudge. Diesmal ist es Jelly Bean.«
    Sheila erzählte lebhaft weiter von ihren Rosen, während sie zum Park gingen. James konnte ihre Liebe zu diesem pflegeintensiven Stachelgestrüpp nicht ganz nachvollziehen, aber er genoss es, an ihrer Begeisterung teilzuhaben.
    Plötzlich hielt Sheila inne. »James?«, fragte sie ernst.
    »Mh?«
    »Wie hat es eigentlich Williams Tochter aufgenommen, dass ihr Vater von einer psychisch kranken Frau ermordet wurde? Haben Sie es ihr gesagt?«
    James nickte. »Ich denke, Stella war in erster Linie froh, zu erfahren, warum ihr Vater nach Eaglehurst gegangen war. Endlich konnte sie es verstehen. Er wollte einem Freund helfen.«
    »Und wie kommt sie damit klar, dass er ihre Mutter damals getötet hat?«
    »Das weiß sie nicht.«
    Sheila sah ihn erschrocken an. »Das haben Sie ihr verschwiegen?«
    James blinzelte in die Sonne. »Manchmal ist es besser, nicht alles zu wissen.«
    Sie kamen an einen Kiosk. James holte zwei Becher Kaffee, mit denen sie sich auf eine Parkbank setzten. Sie tranken schweigend und beobachteten Eichhörnchen, die auf der Wiese nach Picknick-Überresten suchten.
    Sheila warf ihren Becher in den Papierkorb. Sie war ungewöhnlich verlegen. »Kann ich Sie noch etwas fragen, James?«
    »Natürlich.«
    Sie blickte ihn forschend an, wendete sich dann aber wieder den Eichhörnchen zu. »Ach, schon gut.«
    »Kommen Sie, Sheila, das ist unfair. Raus damit, was wollten Sie fragen?«
    »Haben Sie   …
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