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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond
Autoren: L Heyden
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zitternden Fingern den Kopf. So lange, bis ich s i cher war , dass ich nicht umkippen und mich übergeben würde. Denn das hier war das Schlimmste, was ich bei einer solchen Verbindung je gespürt hatte , der Schmerz so groß, als hätte mir jemand ein Messer aus Eis in den Kopf gest o ßen und u m gedreht. Doch diesmal war es nicht die eingefrorene Wut, die tief im hintersten Winkel der D e pression versteckt liegt und die ich bereits bei vielen and e ren Patienten gespürt hatte . B ei Christian Hartmann konnte ich überhaupt keine Gefühle wahrnehmen. Dafür de n Sc hatte n von etwas Fremdem, etwas unfassbar Bösem. Dieser Sc ha t te n hatte versucht, mich anzugreifen, aber nur ge streif t , weil ich den Kontakt noch rechtzeitig ab brach . Obwohl ich wusste, dass es sich um eine Vision hande l te, war en meine Schmerz en e r schr eckend real.
    Christian fing an, sich ruckartig zu bewegen und gegen die Gurte zu kämpfen, die ihn fixierten . Als er die Augen öffnete, waren sie groß und glä nzend und stie r ten mich boshaft an. Sein G e sicht verzog sich, und er entblößte die Zähne zu einer wilden Grimasse, die kaum noch menschlich e Züge aufwies . Sie sah däm o nisch aus.
    Ich musste die Augen abwenden und stand hastig auf. Das war nicht mehr der nette Junge von eben. Ich hatte Angst um ihn. Und wenn er nicht fixiert gewesen wäre , hätte ich auch Angst um mich gehabt. Was war bloß g e schehen? Was hatte Chri s tian Hartmann derart aus der Bahn gewor fen und di e sen Zustand ausgelöst? Paula hatte recht, das hier war mehr als grus e lig, vor a l lem, weil ich wusste, wie es den beiden anderen Patienten ergangen war . Ich sah in sein eben noch gut auss e hendes Gesicht, das jetzt zu einer Fratze verzerrt war und mich an ihren qualvo l len Tod erinnerte. Wenn der kurze Kontakt für mich schon so schmer z haft war , wie musste er sich dann fühlen?
    Wie ich es hasste, so hilflos zu sein.
     
    Am Abend verhielt sich Christian Hartmann wieder ruhiger. Vielleicht lag es an der Medikation, die Dr. Meyer verändert hatte , aber ich entwickelte me i ne eig e ne Theorie. Tagsüber konnte er sich erholen, es waren die Nächte , die ihn quä l ten .
    Ich setzte mich zu ihm, und er sah mich mit großen und ängstlichen Augen an. Sein Z u stand sorgte mich, aber als ich versuchte, an unser Gespräch vom Morgen anzuknüpfen, schüttelte er müde den Kopf.
    „Ich kann mich nicht erinnern, was ich Ihnen erzählt habe“, be hauptete er, „aber es war wohl zu viel. Ich hatte einen Eid gebrochen, als ich Richard folgt e . Und Ihnen hätte ich übe r haupt nichts sagen dürfen.“
    Dabei blieb er. Ich stellte weitere Fragen, zu Donnerstag A bend und seinem Freund Richard, aber er schloss die Augen, drehte den Kopf zur Seite und ließ sich nicht mehr dazu bewegen, mit mir zu sprechen. Ich verfluchte meine Oh n macht, holte die Akten der beiden verstorbenen Patienten , setzte mich wi e der an sein Bett und begann, zu lesen.
    Irgendwann spürte ich Christians Blick. „Sie gehen wohl nie nach Hause“, sagte er leise. „Haben Sie nichts Besseres zu tun, als bei mir zu sitzen? So, wie Sie au s sehen ? “
    Ich runzelte die Stirn. Wie krank müssen Männer eigentlich sein, damit ihnen die Lust am Flirten ve r geht?
    „Oder haben Sie hier auch irgendwo ein Bett?“
    „Nein. Aber vielleicht wäre das keine schlechte Idee.“ Ich lächelte, und seine blauen Augen sahen mich aufmerksam an. Plötzlich tas tete er nach meiner Hand. Ich zuckte kurz zurück, denn nach meinem Erlebnis am Morgen fiel es mir nicht leicht, die Berührung zuzulassen. Aber diesmal empfand ich nur Christians E r schöpfung . Seine Hand lag heiß und feucht in meiner , und i ch hielt sie, bis er ei n schlief, mich losließ und begann, sich unruhig zu bewegen.
    „Chris?“ Ich berührte vorsichtig seinen Arm, aber er reagierte nicht. Ich wusste, dass ich heute nichts mehr für ihn tun konnte . Im Büro holte ich Ma n tel und Handtasche und fuhr nach Hause.
    *
     
    Julian saß an seinem Schreibtisch, betrachtete die Maserung der Tischplatte aus Mahagoni und zog sie gedankenvoll mit dem Zeig e finger nach. Er war erschöpft. Gereizt. Und viel zu dünnhäutig.
    Damian. Louisa. Noch war nichts passiert, das war die gute Nachricht. Aber was, wenn die anderen die Wahrheit über ihn herausfänden? Dass er als ihr A n führer sein Arkanum viel zu lange hinausschob und somit vehement gegen die Regeln verstieß? Damian gehörte ganz sicher nicht zu denen, die sich um
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