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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond
Autoren: L Heyden
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Prolog
     
    D
    er Regen hatte aufgehört. Das gab den Ausschlag, seinen Plan endlich ausz u führen.
    Die Neumondnacht war kalt, und er trat von einem Fuß auf den anderen, wä hrend sich die Kälte langsam und unaufhaltsam in seinem Körper einnistete. Er zog sich die russische Soldatenmü t ze, die schon so oft Richards Spott provoziert hatte , tiefer in die Stirn. Immerhin hielt sie die Ohren warm.
    Hier am Zeughaus war es menschenleer.
    Vielleicht sollte er sich fürchten.
    Entschlossen grub er seine Hände in die Jackentaschen und blickte zum gege n überliegenden Ufer des Spreekanals, wo der Berliner Dom im Licht der Schei n werfer majestätisch glänzte. N ur wenige Laternen erhellt en den Lus t garten , und die vom Regen noch feucht e Luft legte sich wie ein Schleier aus tropfendem N e bel um die kahlen Bäume. Durch diesen Schleier sah es aus, als wäre n die Statuen auf der Museumsinsel zum Leben erwacht. Das war seltsam und beängstigend zugleich , d en noch erfasste ihn eine pr i ckelnde Vo r freude , und seine Sti mmung hob sich sofort . Denn das liebte er an Berlin, diese magischen Momen te, die die Stadt nur mit denen teilte, die sich d a für offen zeigten . Berlin war die coolste Stadt überhaupt, und wer Härte und Gleichgü l tigkeit beklagte, war nur zu dumm, um seine Geheimni s se zu lüften und zu nu t zen. Ihm jedenfalls hatte Berlin nichts als Glück gebracht, seit er vor drei Jahren allein u nd ohne Geld am Bahnhof Zoo strandete . Heute Nacht würde er sein Glück sogar selbst in die Hand nehmen , wobei Richards Verbot alles noch viel au f regender machte.
    Endlich war es so weit . Sie kamen von Unter den Linden, und er sah sie sofort, obwohl ihre lautlosen Schritte sie nicht ankündigten . V ier Männer und drei Fra u en , ganz in Sch war z gekleidet, ihre Gesichter zeigten kühle Entschlossenheit. Und Richard befand sich unter ihnen. Als sie schon sehr nahe waren , drehte Richard den Kopf und blickte in seine Richtung. Schnell schob er sich in einen Hausei n gang und war tete. Falls Richard ihn entdeckte, würde es Riesenärger geben .
    A ber a lles ging gut, sie liefen weiter und an ihm vorbei, ohne ihre Schritte zu verlangsamen. Er folgte ihnen vorsichtig und mit großem Abstand in Richtung Pergamonmuseum. Die Straße machte eine Biegung. Hier schlug d er Wind heftig nach ihm und lenkte ihn ab, so dass er der Gruppe viel zu nahe kam. Sie hatte sich bereits im Kreis auf gestellt . Has tig trat er zurück und presste sich an eine Hau s wand, die noch von Einschusslöcher n aus dem Krieg ge zeichnet wa r . Eine machtvolle Energie strömte von den Männern und Fra uen aus, e r fasste ihn und fegte durch ihn hindurch, als woll t e sie sein Blut zu Eis gefrieren. Als es en d lich vorbei war , lag er zitternd auf den Knien. Es da u erte eine Weile, bis er wagte, aufzustehen und um die Ecke des Hauses zu spähen. Der Kreis löste sich auf. Die Gruppe trat wie auf einer Linie vor und verschwand so plötzlich, als hätte ein unsichtbarer Vo r hang sie verhüllt.
    Er starrte verblüfft auf die leere Straße. Der Fernsehturm im Hintergrund blinkte gleic h gültig, als wäre nichts geschehen.
    Von wegen, zu gefährlich. Er fühlte sich ausgetrickst und betrogen. Alles lief ganz anders als in seiner Vorstellung . Richard hütete viele Geheimnisse, und das war eines, in das er nicht eingeweiht worden war . Wieder einmal.
    Sollte er wirklich noch war ten? Oder nach Hause fahren und seinen Ausflug für sich b e halten? Allerdings war er schon länger als zwei Stunden unterwegs, und wenn er jetzt einen Rückzieher machte, wäre alles umsonst gewesen.
    E in stetig lauter werdendes, dump fes Dröhnen unterbrach seine Gedanken. Es kam von dort, wo Richard und seine Gefährten verschwunden waren . Vo rsichtig trat er näher, lauschte mit angehaltenem Atem und mühte sich, trotz der Dunke l heit etwas zu erkennen. Dann brach das Dröhnen plötzlich ab, und die jähe Stille verwirrte ihn.
    Er war tete. Nichts geschah.
    Wofür schlug er sich überhaupt die Nacht um die Ohren? Es war nichts Aufr e gendes passiert, jedenfalls nicht das, was er unbedingt sehen woll t e. Trotzdem … komisch. Irgendetwas musste dort vorn los sein . Die Dunkelheit schien noch schwärzer zu werden, sich auszudehnen und zu ihm hinz u kriechen. Er blinzelte nervös. Das viele Starren konnte unmöglich gesund für seine Augen sein, sie spielten ihm schon wieder einen Streich. Nur blieb diesmal das Hochgefühl aus. Mit der Dunkelheit kam
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