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Mann meiner Sehnsucht (German Edition)

Mann meiner Sehnsucht (German Edition)

Titel: Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Petra Last
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PROLOG
    Der Maultierhirsch hob witternd den schlanken Kopf und prüfte mit seinen schwarz glänzenden Nüstern den Wind. Seine dunklen Augen glitzerten in den Sonnenstrahlen, die die Baumwipfel in schmalen Bahnen durchdrangen, und sein Geweih durchstach die laue Luft, als er keck den Kopf empor warf und sich umsah. Noch einmal nahm er die Gerüche auf, die der Wind mit sich trug. Vogelgezwitscher erfüllte die Luft mit einer Vielzahl von Stimmen, und das immerwährende Summen unzähliger Insekten bildeten eine friedvolle Atmosphäre. Nichts störte das Idyll. Das braun schimmernde Fell seiner Flanke zuckte, und mit seinem Wedel vertrieb der Bock einige vorwitzige Fliegen. Dann stampfte er mit einem Vorderlauf auf, senkte den Kopf, beruhigt, und äste weiter.
    Das leise Surren war kaum lauter als der Flügelschlag einer Biene und traf dennoch mit tödlicher Präzision sein Ziel. Der Maultierhirsch bäumte sich auf, wollte fliehen, aber es war bereits zu spät. Zitternd brach er zusammen. Sein linker Vorderlauf zuckte noch einmal, dann lag er still. Der gefiederte Schaft eines Pfeils ragte aus seiner Seite, einziges sichtbares Zeichen dessen, was geschehen war.
    Der Jäger erhob sich und näherte sich langsam der Beute, wobei er die Umgebung ebenso sorgsam beobachtete wie der Bock es zuvor getan hatte. Eine weitere Gestalt schälte sich aus dem Unterholz, dann noch eine, bis alle Mitglieder des kleinen Jagdtrupps sich um das erlegte Wild versammelt hatten.
    “ Wicistá kiŋ ciyéwayekiŋ wanása el wašteya heca. Das Auge meines älteren Bruders bei der Jagd ist gut”, stellte Kleiner Bär voller Anerkennung aber ohne Neid fest. Wolfsauge nickte ihm zu. Dann öffnete er die Halsschlagader und ließ das Blut des Tieres als Opfer für die Götter in die Erde fließen, während er ein leises Gebet für die Seele des getöteten Tieres sprach. Hier unterschieden sich seine Bräuche von denen seiner Brüder, doch sein Vater hatte es ihm so beigebracht. Aber das Tier war für sie gestorben und verdiente es, geehrt zu werden, zumindest darin waren sie sich einig.
    Mit schnellen Schnitten öffneten sie dann die Beute und aßen die noch warme Leber. Anschließend schlugen sie den Kadaver in eine mitgebrachte Haut ein, um ihn während des Transportes vor den Fliegen zu schützen. Häuten und zerteilen würden sie ihn nicht mehr. Heute war bereits der dritte Tag der Jagd, und sie hatten genügend Beute gemacht, um den Stamm einige Wochen lang mit Wild zu versorgen. Die Beute der ersten beiden Tage, in dünne Streifen geschnitten, war schon beinahe getrocknet, und um das frische Fleisch würden sich am Abend die Frauen kümmern.
    “ Nitawicu kiŋ el iluškiŋyaŋ hwo? Freust du dich auf deine Frau?”, wollte Kleiner Bär mit einem gespielt lüsternen Grinsen wissen, und Wolfsauge versetzte ihm einen freundschaftlichen Schlag gegen die Schulter.
    “ Mitawicu kiŋ el ibluškiŋyaŋ líla slolyáye yelo. Du weiß, wie sehr ich mich auf meine Frau freue”, entgegnete er dann. Kleiner Bär hatte nichts anderes erwartet. “Geht mit den Wolken” war Kleiner Bärs Schwester, und er wusste, wie verliebt die beiden noch immer ineinander waren. Seit vier Jahren waren sein bester Freund und Blutsbruder und seine Schwester ein Paar. Ihre beiden Söhne verbrachten beinahe soviel Zeit bei ihrem Onkel wie bei ihren Eltern, besonders, wenn die Eltern ein wenig Zeit für sich allein haben wollten.
    Kleiner Bär fragte sich, ob sein Leben mit Omášte ebenso verlaufen würde. Wenn sie von der Jagd zurück waren, würde er ihrem Vater sein Angebot unterbreiten, und er war sich sicher, es würde Gehör finden. Sonnenschein war die schönste Frau, die er jemals gesehen hatte. Nicht mehr lange, und sie würde die Seine werden. Sie würden ein Tipi teilen und viele starke und gesunde Söhne miteinander haben.
    Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht bei dem Gedanken, und er erhaschte Wolfsauges Grinsen, als dieser ihn wissend musterte.
    “ Luħa léce yo. Grins du nur”, knurrte er. “ Wakeya nitáwa kiŋ el nitawicu kiŋ luha. Haŋhépi išnála ilštíŋma sŋi. Caŋténiwašte. Du hast deine Frau in deinem Zelt. Du schläfst nachts nicht allein. Du bist glücklich.”
    Dann machten sie sich daran, die Beute auf die Travois zu verladen.
     
    “Hast du schon jemals mit dem Gedanken gespielt, zu den weißen Männern zurückzukehren?”, fragte Kleiner Bär, während sie langsam nebeneinander her ritten. Die Jagdgruppe bestand aus
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