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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Heute ist Mittwoch und schulfrei.
    Die Lehrerin nennt das den«Sonntag der Kinder».
    Ich gehe lieber in die Schule. Mama sieht fern, und ich würde gern mit Grégory schussern, aber Grégory wohnt weit weg und darf nicht mehr bei uns schlafen, seit unsere Mamas wegen dem Ball und dem kaputten Fenster Streit hatten. Mama hat am Telefon gesagt, Grégory wäre ein«Tunichtgut», und dann hat sie«dreckige Schlampe»gesagt und aufgelegt, weil die andere Dame gebrüllt hat:«Immer noch besser als eine Säuferin!»
     
     
    Ich sage zu Mama:«Komm mit mir schussern», und Mama sagt zum Fernseher:«Pass auf, er ist hinter dir, gleich schießt er», und deshalb sage ich es noch mal, und Mama sagt zum Fernseher:«So ein Idiot, nicht zu fassen», und ich weiß nicht, ob ich der Idiot bin oder ob es der Monsieur ist, der umgelegt wurde, obwohl Mama ihn gewarnt hatte.
    Ich gehe nach oben in mein Zimmer und schaue aus dem Fenster dem Sohn vom Nachbarn zu, der nie jemanden zum Spielen braucht. Er klettert auf ein Schwein, als wäre es ein Esel, und lacht ganz für sich allein. Und weil ich traurig bin, gehe ich in Mamas Zimmer, wo das Bett nicht gemacht ist und die Kleider auf dem Boden liegen. Ich mache das Bett und muss auf einen Stuhl klettern, damit ich ihre Sachen auf den Berg schmutzige Wäsche legen kann, und dann weiß ich nicht,
was ich tun soll, und deshalb krame ich ein bisschen herum, und in einer Kommodenschublade finde ich unter den ungebügelten Hemden einen Revolver.
    Das finde ich superklasse, und ich denke mir: Damit gehe ich im Garten spielen. Ich gehe nach draußen, als wäre nichts weiter, den Revolver in meiner Hose versteckt.
    Mama schaut sowieso nicht her, sondern sagt zum Fernseher:«Von dem Mädchen lässt du besser die Finger, mein Freund!»
    Als ich draußen bin, muss ich mir mit dem Zielen keine Mühe geben. Der Himmel ist groß.
    Ich schieße und falle um.
    Ich stehe auf und schieße noch mal und falle wieder um.
    Mama kommt aus dem Haus. Wegen ihrem kaputten Bein hinkt sie, und sie schreit:«Was soll der Blödsinn?», und sie sieht mich mit dem Revolver in der Hand und schreit mich an:«Was habe ich bloß angestellt, dass der liebe Gott mich mit so einer Pflaume von Kind gestraft hat? Du bist so blöd wie dein Vater! Gib das sofort her, du kleines Arschloch!»
    Und sie versucht, mir den Revolver aus den Händen zu rei ßen.
    Ich sage:«Das ist doch alles deinetwegen, damit du mich nicht mehr anschreist», und ich lasse den Revolver nicht los, und Mama fällt auf den Rücken.
    Sie schreit:«Sauerei!»und hält sich das kaputte Bein, und ich sage:«Tut dir was weh?», und sie tritt mit dem anderen Bein nach mir, mit dem, das schlenkert, und sie schreit:«Gib das sofort her, ich sage es nicht zweimal!», und ich sage:«Du hast es aber schon zweimal gesagt», und ich gebe den Revolver nicht her, und sie beißt mir in die Hand, und ich lasse ihn trotzdem nicht los, und der Schuss geht los, und Mama taumelt und fällt hin.

Ich bleibe lange im Gras liegen und schaue den Wolken nach. Ich suche den Kopf von meinem Vater, damit er mir sagt, was ich tun soll.
    Ich habe den Himmel nicht umgebracht.
    Nur die Wolken kaputtgemacht, die nichts als Pech pissen, aber vielleicht ist es auch Papa, der mir Tränen schickt, um das Blut von Mamas Morgenmantel abzuwaschen.
    Zuerst denke ich, dass sie schläft oder sich schlafend stellt, um mich zu veralbern, obwohl sie so was nie tut und seit ihrem Unfall erst recht nicht.
    Ich schüttle sie ein bisschen.
    Sie sieht aus wie eine ganz weiche Stoffpuppe, und ihre Augen sind weit aufgerissen. Ich muss an die Fernsehkrimis denken, in denen dauernd Frauen umgebracht werden und hinterher aussehen wie ganz weiche Stoffpuppen, und ich denke mir: Das ist es, ich habe Mama umgebracht.
    In diesen Filmen weiß man nie, was mit den Stoffpuppen passiert, und deshalb warte ich ab, und es wird Nacht, und ich habe irre Hunger und gehe ins Haus, um ein Brot mit Mayonnaise zu essen, und danach traue ich mich nicht wieder nach draußen.
    Ich muss an die lebenden Toten denken, die aus dem Grab aufstehen und einen mit Äxten und mit raushängenden Augen erschrecken.
    Und ich steige auf den Speicher, wo Mama mich ganz sicher nicht suchen kann wegen ihrem steifen Bein.
    Ich esse die Äpfel: Ich traue mich nicht, damit Fußball zu spielen.
    Und ich schlafe ein.
     
     
    Als ich die Augen aufmache, ist Krach im ganzen Haus, und ich fürchte mich vor den lebenden Toten und vor den ganz weichen
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