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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond
Autoren: L Heyden
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eine lähmende Furcht, die langsam Besitz von ihm e r griff. Als er es endlich schaffte, sich aus seiner Erstarrung zu lösen, versuchte er sich um zu drehen und zu fliehen. Doch es war z u spät . Die Dunkelheit krei s te ihn ein , und sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Etwas schnürte ihm unaufhal t sam den Atem ab und überwältigte ihn. Vollkommen. Er fiel auf den harten A s phalt, und seine Finger tasteten verzweifelt nach einem Feind, der nicht zu fassen war . So ist es also , zu sterben, dachte er überrascht, bevor er das Bewuss t sein verlo r.
    Später, als Richard seine Mütze und einen Handschuh fand, war er außer sich, und auch von seinen Gefährten nicht zu beruhigen. Denn Richard wusste, was seinem Freund z u gestoßen war . Doch es gab keine Spur, der er folgen konnte . Der Regen hatte längst wieder ei n gesetzt.

Kapitel 1
     
    D
    ie Mittagspause war fast schon vorbei, nur Dr. Meyer stocherte immer noch lustlos in seinem Essen. Ich hatte meinen vollen Te l ler längst zur Seite geschoben und mir einen Cappuccino g e holt. Unsere Küche hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Um meinen Hunger zu besänftigen, nahm ich mir vor, nach Diens t schluss kurz bei Marcello zu halten und mir eine Pizza mit nach Hause zu nehmen. Vielleicht stand der Teller mit Keksen noch im Besprechungsraum. Als ich aufstand, legte Dr. Meyer seine Gabel mit einem resignierten Gesichtsausdruck be i seite.
    „Frau Langner? Es gibt wieder einen sehr interessanten Fall bei uns auf der G e schlossenen. Allerdings halte ich ihn für so hoffnungslos, dass er keine wirkliche Herausforderung bedeutet.“ Er verzog den Mund zu einem verkrampften L ä cheln. „Noch nicht einmal für Sie.“
    Dr. Meyer , ein kleiner, blasser Mann Ende dreißig, sah immer müde aus. Er schien sich zu freuen, mein Interesse geweckt zu haben, starrte aber zur Seite, sobald sich unsere Blicke trafen. Blickkontakt war nichts, was er lange e r tragen konnte .
    „Erinnern Sie sich an den Patienten, der glaubte, von einem Dämon besessen zu sein? Im Januar? Und an die junge Frau, die wir im April mit den gle i chen Symptomen aufgenommen haben?“
    „Natürlich erinnere ich mich.“
    Dr. Meyer machte eine Pause. „Die Wahnvorstellung, von einem Dämon b e sessen zu sein, scheint äußerst negativ mit der Lebenser war tung zu korreli e ren“, sagte er bedeutsam.
    Ich versuchte, genauso bedeutsam zurückzuschauen, wobei es mir schwerfiel, meinen Ärger zurückz u halten. Sollte das ein ungeschickter Versuch sein , einen Scherz zu machen? Auf Kosten unserer Patienten? Auch wenn ich mich nicht an alle erinnern konnte – der Z u stand dieser beiden war so schrecklich gewesen, dass ich ihre Gesichter, in denen sich Grauen, Schmerz und Wut a b wechselten, noch immer vor mir sah. Sie starben nur wenige Tage nach ihrer Au f nahme .
    „Sie hatte n ja damals herausgefunden, dass diese Patienten nur während der Dämmeru ng ansprechbar sind.“ Dr. Meyer lehnte sich zurück und erlaubte mir einen kurzen Blick in seine braunen Augen, bevor er sie wieder auf irgendeinen Punkt knapp neben mir richtete. „Nun. Wenn Sie wollen – und selbstve r ständlich nur, wenn es Ihre Zeit erlaubt – haben Sie die Gelegenheit, Ihre Hypothese zu überprüfen. Wir haben Freitag Nacht wieder jemanden mit der gleichen Sym p tomatik aufgenommen.“
    „Mein Gott!“
    „Ein junger Mann, der glaubt, von einem Dämon besessen zu sein. Wahnideen, Körperhalluzinationen, Gedanken- und Willensbeeinflussung. Das volle Pr o gramm.“ Dr. Meyer sah mich a b war tend an.
    Ich blickte auf die Uhr. „Ich habe gleich eine Teamsitzung und an schlie ßend drei therapeutische Einzelgespräche, aber ich werde mir den Patienten sp ä ter ansehen.“
    Dr. Meyer nickte zufrieden, stand auf und hob umständlich sein Tablett.
     
    Die Absätze meiner flachen Pumps klapperten über das grüne Linoleum, als ich fünf Stunden später in den Verbindungsgang bog , der den Neubau der allg e meinpsychiatrischen Abteilung mit dem alten Backsteinbau verband, in dem die geschlossene Station unte r gebracht war . Eigentlich mochte ich die langen Flure mit ihren gläsernen Wänden und Dächern. Wenn ich hier unterwegs war , kon n te n sich meine Gedanken eine Auszeit nehmen und neu sortieren, auße r dem verbrachte ich sowieso viel zu viel Zeit im Sitzen. Aber heute lag ein anstrenge n der Tag hinter mir , und der Gang schien sich kilometerlang ausz u dehnen.
    Der Chefarzt hielt therapeutische Gespräche
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