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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond
Autoren: L Heyden
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mit Patienten der Geschlo s senen für überflüssig. Ich vertrat eine andere Meinung und besuchte sie so oft wie mö g lich, auch nach meine r offizielle n Arbeitszeit . So wie heute. Ich nahm meinen Schlüssel, öffnete die schwere Tü r und ging zum Diens t raum des Pflegepersonals. Hinter der Glasscheibe sah ich den blo n den Kopf von Paula, der sich über eine Medikamentenliste beugte. Sie schaute stir n runzelnd auf, als ich gegen das Glas klopfte. Dann erkannte sie mich, lächelte und ließ mich ein.
    „Hallo Paula. Ist Dr. Meyer noch im Dienst?“
    „Nein, Ellen“, sagte sie bedauernd. „Du hast ihn um eine halbe Stunde ve r passt. Er hat dir sicher von dem jungen Patienten erzählt, den wir Freitag N acht aufg e nommen haben.“
    Ich nickte und betrachtete kurz mein blasses Gesicht in dem schmalen Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Aus meinem Pferdeschwanz hatte n sich schon wieder einige Locken gelöst, und ich ve r suchte vergeblich, sie mit den Fingern festzustecken.
    „Hast du eigentlich wieder einen festen Freund?“, überrumpelte mich Paula mit plumper Neugier.
    Ich schloss für einen Moment die Augen und seufzte, wenn auch nur in G e danken. Es gab keine Frage, die ich so sehr verabscheute wie diese. Trotzdem klebte ich mir ein fröhliches Lächeln ins Gesicht. „Dafür habe ich gar keine Zeit.“
    Von Beziehungen verstand ich eine ganze Menge. Nur mit meinen eigenen tat ich mich schwer, denn sie hatte n mir kein Glück gebracht. Manchmal ist der, den man für unerreic h bar hält und wie durch ein Wunder tatsächlich be kommt, eben doch nicht der Richtige. Jedenfalls sind dem Universum bei me i ner Bestellung einige Irrtümer unterlaufen. Oder es liefert Mogelpacku n gen.
    Mein Ex-Freund Thomas arbeitete als Neurologe im dritten Stock. Unsere Trennung war niemandem in der Klinik verborgen geblieben und geriet auch nach mehr als zwei Jahren nicht in Vergessenheit . Zum Glück bekam ich Thomas kaum zu G e sicht.
    Paula schüttelte missbilligend den Kopf. „Du hast es gar nicht nötig, allein zu sein“, erklärte sie mit mütte r licher Urteilskraft.
    Nicht nötig? Ich ging so gut wie nie aus, und meine letzte Verabredung, die mir eine Freundin au f geschwatzt hatte , war gründlich schiefgegangen. Er hieß Arne, war Lehrer und der Bruder ihres Freundes. „Ihr habt so viel gemeinsam“, hatte sie behauptet. „Und Arne ist ja so sensibel.“ Das war er wirklich. Arne lud mich nach dem Kino in eine Bar ein, um dort nur über sich und seine Mutter zu spr e chen. Weil ich ja Psychologin und Therapeutin bin. Seine nächste Einladung lehnte ich dankend ab .
    Im Unterschied zu Arne haben die meisten Männer allerdings Angst vor me i nem Beruf, und wer will schon mit einer Frau zusammen sein, die den größten Teil ihrer Freizeit in einem Krankenhaus verbringt? Die Männer, die ich näher kannte, waren Patienten oder Arbeitskollegen. Kurz dachte ich an Dr. Meyer und meinen Oberarzt, Dr. Brunner. Auch die wirkten manchmal gestört, jede n falls auf mich.
    Alles in allem gab es also gute Gründe für mein männerloses Leben. Immerhin konnte ich jetzt so viel Zeit mit meiner Arbeit verbringen, wie ich wollte, ohne auf einen Partner Rüc k sicht nehmen zu müssen. Oder auf eine Ka tze oder ein anderes Haustier, ich hatte nämlich keins. Dafür besaß ich einen Gumm i baum, einen Benjamin und eine Yucca-Palme. Meine Pflanzen brauchten einmal in der Woche Wasser, sonst stellten sie keine Ansprüche. Im Gegenteil, sie pr o duzierten auch noch Sauerstoff. Alles in allem gestaltete sich uns ere Wohn gemeinschaft pe r fekt.
    Es gelang mir, mein Lächeln beizubehalten. „Kannst du mir bitte die Kurve g e ben?“
    Paula seufzte und drückte sie mir in die Hand. „Zimmer 418. Christian Har t mann .“
    Der Patient lag in einem der wenigen Einzelzimmer, was deut lich auf die Schwere seiner Erkrankung hinwies . Ich blätterte durch die Unterl a gen. „Gibt es sonst noch etwas Wichtiges? Von seinem Gesundheit s zustand a b gese hen?“
    Paula nickte. „Der Junge ist ganz schön gruselig, und seine Anfälle sind beäng s tigend. Nachts ist er so gut wie gar nicht zu sedieren. Außerdem hatte er kei nen Ausweis dabei , kein Geld und noch nicht einmal ein Handy. Dafür stec k te er in einer teuren Lederjacke mit eingenähtem Namensschild. Wenn es übe r haupt sein N a me ist.“
    „Dann konnte t ihr noch niemanden verständigen?“
    „Nein. Und ohne Versicherungskarte wird uns der Chefarzt wieder einen Vo r
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