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14 - Geheimagent Lennet und der Scheintote

14 - Geheimagent Lennet und der Scheintote

Titel: 14 - Geheimagent Lennet und der Scheintote
Autoren: Vladimir Volkoff
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Der Sänger mit der blauen Stimme

    Es war wahnsinnig!
    Im Saal standen fünftausend Jugendliche auf den Sitzen und klatschten, an allen Gliedern zuckend, schwitzend, wie hypnotisiert und mit verzücktem Blick, im Takt in die Hände und schrien sich heiser: »Julio-Julio!«
    Auf der Bühne versuchten vier hübsche Mädchen in gelbschwarz gestreiften Tigerbadeanzügen so laut wie möglich auf einer Klarinette, einem Saxophon, einem Kontrabaß und einem Schlagzeug gegen den Lärm anzuspielen.
    Vorn an der Rampe stand ein schwarzhaariger, junger Mann in einem Overall aus blauem Moire mit straßbesetzten Borten und hatte eine Gitarre umgehängt – keine elektrische, sondern eine normale Gitarre aus kostbarem Holz mit eingelegten Lapislazuli.
    Es war der berühmte, der unvergleichliche, der unnachahmliche, der einzigartige JULIO und sein Wespenschwarm.
    »Julio! Julio!« schrie ein blonder, etwa achtzehnjähriger Mann mit den anderen.
    Mit einer Handbewegung bat Julio um Ruhe. Alle verstummten und setzten sich wieder. Julio spielte ein paar Töne auf seiner Gitarre und fing an zu singen. Mit seiner einschmeichelnden Stimme – die Journalisten von Salut, Podium, Disco und Hitmagazin nannten sie seine »blaue Stimme« – sang er das vorletzte Lied.
    Ich habe keine Angst vor den Kerkern, Ich habe keine Angst vor den Verliesen. Ich singe mit meinem Herzen: Mein Blut ist rot wie euer Blut.
    »Julio – Julio!« rief das Publikum außer Rand und Band Julio stand unbewegt und bescheiden da und schaute auf die tobende Menge. Dann gab er wieder ein Zeichen und sang das letzte Lied des Abends.
    Die Gesellschaft will mich zum Schweigen bringen;
    Doch kein Gitter ist stark genug.
    Ich singe mit allen meinen Adern, Ich singe mit allen meinen Schlagadern, Ich singe mit meinem Blut:
    Leben ist rot wie Blut!
    Keiner hatte bis jetzt versucht, Julio zum Schweigen zu bringen; seine anatomischen Begriffe waren nicht gerade medizinisch exakt, aber das war den fünftausend Jugendlichen völlig egal. Sie wußten nur eins: In ein paar Minuten würde ihr Idol verschwinden, und morgen müßten sie wieder in die Schule oder in die Büros. Sie wollten die Begeisterung bis zum letzten Augenblick auskosten.
    »Julio – Julio!«
    Der Blonde, es war niemand anderes als Geheimagent Lennet, konnte sich nur mühsam durch die Reihe zwängen. Was? Da ging einer schon vorher? Unglaublich!
    Wenn Lennet den Fans verraten hätte, was er tun wollte, dann hätten sie ihn vermutlich gelyncht, oder, schlimmer noch, begleitet. Der junge Geheimagent des Französischen Nachrichtendienstes verschwand.
    Draußen war es kalt. Bis zum Künstlereingang legte er einen kurzen Spurt hin. Dort hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt: die Leute, die keine Karten bekommen hatten und hofften, Julio wenigstens zu sehen, wenn er in seinen blauen Cadillac stieg. Zwei Polizisten bewachten den Eingang.
    »Kein Durchgang«, sagte einer von ihnen, als er Lennet sah. »Wenn du Julio sehen willst, mußt du mit den anderen warten.«
    Lennet schaute ihn überrascht an. »Erkennen Sie mich nicht? Sie sitzen wohl nicht oft vor dem Fernseher?«
    »Wer sind Sie?« fragte der zweite Polizist.
    »Serafino natürlich, Serafino der Sänger. Ich bin zusammen mit Julio in Amerika aufgetreten.«
    »Serafino? Sagt dir das was?« fragte der zweite Polizist den ersten.
    »Wie soll ich das wissen, bei all den Namen, die sie sich heute zulegen. Jedenfalls kein gewöhnlicher Name.«
    »Serafino?« unterbrach Lennet. »Nein, das ist kein gewöhnlicher Name, der ist raffiniert.«
    »Serafino ist raffiniert!« rief der zweite Polizist und lachte.
    »Gehen Sie durch!«
    Die wartende Menge wurde unruhig.
    »Serafino gibt es gar nicht!« empörte sich eine große Rothaarige.
    »Doch!« antwortete eine kleine Blonde. »Bei der Gruppe Papu gab es einen kleinen Kerl, der Serafino hieß. Er sang entsetzlich falsch und hatte überhaupt kein Taktgefühl!« 
    Lennet betrat einen schmutzigen Gang, an dessen Ende ein Mann hinter einem Schreibtisch saß. Ein anderer saß auf dem Tisch. Ein dritter lehnte an der Wand. Alle drei sahen aus wie Boxer ohne Vertrag. Sie verkauften die Eintrittskarten und hatten für Ordnung zu sorgen, falls die Polizisten nicht zurechtkamen.
    »Was willst du, mein Sohn?« fragte Nummer Eins, ohne die Zigarre aus dem Mund zu nehmen.
    »Ich habe eine Verabredung mit Cesare«, erwiderte Lennet und grinste.
    Der Familienname von Julio war ein strenggehütetes Geheimnis. Der Sänger
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