Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
nun das königliche Bett umrundete, um sich zur Tür des Alten Betsaals zu begeben, sah ich ihn von hinten, in seinem unbekümmerten und majestätischen Gang, worauf die acht ihm wie aus Respekt und um ihn zu geleiten, folgten, indem sie den linken Arm baumeln ließen, mit der rechten Hand aber schon hinterm Rücken nach dem eingesteckten Dolch griffen, und mir schien dieses zwiefache Schreiten zu besagter Tür endlos zu dauern, sowohl von Guise wie von den Gascognern, deren keiner ihm über die Schulter reichte, so daß es aussah, als würde ein großer Tiger von Panthern verfolgt, aber von sehr gefährlichen mit ihrem samtigen Katzengang.
    Da der Herzog beide Hände voll hatte, die linke mit der Dose und dem Schnupftuch, die rechte mit seinem Federhut, hob er die Portiere zum Alten Betsaal mit dem Ellbogen auf, und indem er sich dazu niederbeugte, warf er einen Blick über seine Schulter und sah um sich in dichtem Halbkreis die Gascogner mit ihren hart gespannten Gesichtern.
    »Wehe, meine Herren!« sagte er, halb stutzig, halb grollend.
    Mehr sagen konnte er nicht, La Bastide ergriff seinen Arm, Montseris versetzte ihm den ersten Stoß in die Kehle, weil er glaubte, der Herzog trüge ein Kettenhemd und er könnte ihn nur dort treffen, dann stürzten sich alle auf ihn, indem sie okzitanische Flüche schrien:
»Tue! Mordi! Tue!«
, einer packte ihn an den Armen, der andere an den Beinen, der dritte am Degen, damit er nicht ziehen könne, und stießen ihre Dolche überall in seinen Leib, hatten sie doch entdeckt, daß er unterm Wams nur ein Hemd trug, und der Herzog wehrte sich mit ungeheuerlicher Kraft, schüttelte die an ihm hangenden Raubkatzen ab, schlug sie mit Bonbonniere und Fäusten nieder, wurde aber schließlich von der Überzahl überwältigt, geschwächt durch |531| soviel verlorenes Blut, das ihm aus sämtlichen Wunden durch das Seidenwams sickerte, das über allen vitalen Körperteilen durchbohrt und zerfetzt war, ohne daß ich freilich mehr sehen konnte als das wüste Gemenge der wild schreienden, kleinen Männer, die an diesem Riesen wie eine Meute an den Flanken eines Ebers klammerten, die aber, als sein Widerstand und seine Abwehr brachen, von ihm abließen in dem Glauben, daß er gleich zu Boden stürzen werde.
    Aber der Herzog blieb aufrecht, wenn er auch taumelte, rang mit offenem Munde pfeifend nach Atem, die Arme ausgestreckt, die Augen schon halb zu und erloschen, und tappte wankenden Schrittes zum königlichen Bett, wie wenn er die Tür erreichen wollte, die Monsieur de Nambu bewachte. Hier nun nahm Laugnac, der die ganze Zeit unbeweglich und mit gekreuzten Armen auf der Truhe gesessen hatte, seinen Degen, den er, abgehängt, nicht gezogen, auf den Knien liegen hatte, stand auf und stieß dem Taumelnden mit dem Ende der Degenscheide gegen den Bauch, der Herzog sackte nieder vor dem königlichen Bett, und sein großer Körper durchtränkte heillos den dort liegenden böhmischen Fußläufer.
    Inzwischen, so erzählte François von O, gab es im Ratssaal, wo man die Schreie und das Stampfen hörte, große Aufregung. Man hatte sich erhoben, und der Kardinal von Guise stürzte mit dem Schrei: »Alles verloren!«, zur Tür des königlichen Gemachs, klopfte mehrmals, und da ihm nicht geöffnet wurde, wollte er zu den Gemächern der Königin flüchten. Aber der Marschall von Aumont verfolgte ihn mit gezogenem Degen.
    ›Bei Gott! Rührt Euch nicht, Monsieur! Im Namen des Königs!‹
    Und schon besetzten Larchants Garden den Ratssaal, bemächtigten sich des Kardinals von Guise und des Erzbischofs von Lyon und führten beide in eine kleine Kammer im dritten Stock, die der König für seine Kapuziner bestimmt hatte, und keiner der Räte und Beiwohnenden bezweifelte, was aus ihnen würde, oder wenigstens aus dem Kardinal, sobald der König einen Mann gefunden hätte, der sich getraute, Hand an die Purpurrobe zu legen.
    Was mich angeht, so erinnere ich mich gut, daß nach jenem Moment, als der Herzog niederbrach, eine Zeit verging, die mich endlos dünkte, bis der König sich rührte. Sein Gesicht, |532| sah ich, war gänzlich versteinert, so als könnte er seinen Augen noch nicht glauben, daß der Erzfeind seines Throns, seines Lebens und seines Staates aufgehört hatte, ihm schaden zu können. Und als er endlich mit der Hand die Portiere beiseite schob, verweilte er, wie zu Reglosigkeit gebannt, vor der Schwelle des Zimmers und wandte den Kopf nach mir.
    »Mein Sohn, du bist Arzt«, sagte er.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher