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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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herum.«
    Gesagt, getan, und Du Halde war es zufrieden, aber die Stunde wollte und wollte nicht vergehen, im Gegenteil, sie schlich wie eine Schnecke im Löwenzahn, sosehr wir uns auch abzulenken versuchten, indem wir das Feuer anfachten, damit der König es beim Ankleiden warm hätte. Endlich brannte es richtig, und jäher Flammenschein erhellte Du Haldes langes, strenges Gesicht und seine zur Wärme gestreckten Hände.
    Treulich um vier Uhr klingelte die Weckuhr, und Du Halde schoß wie eine Feder von seinem Sitz empor. Wenn der Leser noch einmal auf meinen Plan blicken will, sieht er, daß die Tür der Garderobe, die auf den Gang hinausführt, der Tür zu den Gemächern der Königin gegenüberliegt, und Du Halde, der kein Licht hatte, ließ die Garderobentür offen, um die Helle unseres Feuers für seinen Auftrag zu nutzen und an die Tür der Königin zu klopfen.
    »Wer ist da?« hörte ich von drinnen eine Frauenstimme. »Schämt Ihr Euch nicht, den Schlaf des Königs zu stören?«
    »Ich bin es, Du Halde. Sagt dem König, daß es vier Uhr ist.«
    »Kommt nicht in Frage!« sagte die Stimme scharf. »Der König schläft. Die Königin auch.«
    »Beim Donnerschlag!« schrie Du Halde. »Ihr weckt sofort den König! Oder ich klopfe so lange und laut, daß ich alle beide aufwecke.«
    Und ich sah, wie er die Fäuste hob, um wütend loszutrommeln, doch da ließ sich im Inneren des Gemachs die Stimme des Königs vernehmen.
    »Wer ist da, Piolant?«
    »Sire«, sagte die Piolant, vermutlich eine Kammerfrau der Königin, die wie Du Halde auf einer ausgerollten Matte am |519| Fußboden schlief, »es ist Du Halde, und er sagt, daß es vier Uhr ist.«
    »Rasch, Piolant, meine Schuhe, meinen Hausrock, meinen Leuchter!« sagte die Stimme des Königs.
    Noch zornbebend kam Du Halde in die Garderobe zurück. »Diese Tranfunzel von Piolant!« schimpfte er und warf ein ganzes Bündel Reisig in den Kamin, so daß die Flammen beim Eintritt des Königs nur so sprühten.
    »Danke für das schöne Feuer, Du Halde!« sagte er.
    Doch reichte er weder Du Halde noch mir die Hand (mich schien er gar nicht zu bemerken), und ich rechnete diese Unterlassung seiner inneren Erregung zu. Worin ich mich täuschte, denn zuerst nahm Du Halde dem König den hermelingefütterten Hausrock ab und rieb ihn am ganzen Körper mit straffen Händen mit Weingeist ein, dann kleidete er ihn von Kopf bis Fuß in schwarzen Samt, kämmte seine Haare, setzte ihm ein Barett auf und legte ihm die Kette des Heilig-Geist-Ordens um, dann drehte sich der König um sich selbst, damit Du Halde ihn begutachte. Und erst, als Du Halde ihn eingehend gemustert und sein Aussehen gutgeheißen hatte, bot uns der König seine Hand, zuerst Du Halde, dann mir, denn waren wir auch beide Barone, gebührte Du Halde als Kammerdiener des Königs doch der Vorrang vor mir, der ich nur ein königlicher Arzt war.
    Nun ließ sich dumpfer Lärm vernehmen, der vom Schloßhof heraufzudringen schien, und weil die Fenster des königlichen Gemachs aufs Land hinaus gingen, schickte mich der König ins Alte Kabinett, das in besagten Hof schaute. Da sah ich denn im Fackelschein, daß der Lärm von der königlichen Karosse herrührte und von den Pferden, welche die Kutscher an die Ringe rechts der Ehrentreppe banden: eine Inszenierung, die Seine Majestät ersonnen hatte, um seine Abreise nach La Noue glaubhaft zu machen. Auf dem Rückweg traf ich im Alten Betsaal auf Bellegarde, der sagte, daß der König ihn in die Hirschengalerie geschickt habe, um sich zu vergewissern, daß die »Fünfundvierzig« auch wirklich dort versammelt waren.
    Gemeinsam kehrten wir ins königliche Gemach zurück und fanden es voller Räte und Offiziere, die Seine Majestät auf fünf Uhr bestellt hatte, nämlich den Marschall von Aumont, Rambouillet, François von O, den Staatssekretär Revol und d’Entra gues . Mit Ausnahme der beiden letzten, die der König bei sich |520| behielt, schickte er die anderen in den Ratssaal, wo der Marschall, der alt und leidend war, den Diener, der ihnen leuchtete, anwies, im Kamin das Feuer anzuzünden.
    Als Laugnac durch die Tür vom Alten Betsaal hereinkam, fragte ihn der König mit sichtlicher Ungeduld in knappem Ton, ob die »Fünfundvierzig« in der Hirschengalerie auch vollzählig seien.
    »Ja, Sire«, sagte Laugnac, »bis auf zwei oder drei.«
    »Das reicht«, sagte der König. »Bringt sie, aber ganz leise, herauf in den Gardesaal (I auf dem Plan). Ich komme gleich. Und befehlt ihnen bei
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