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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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    |5| ERSTES KAPITEL
    Als ich mit meinem Diener Miroul, mit Fröhlich, meinem guten Berner Schweizer, und meinem treuen Freund, dem Fechtmeister Giacomi, den Mörderbanden der Bartholomäusnacht entronnen war und Zuflucht bei dem eleganten Hofmann, Baron von Quéribus, in Saint-Cloud gefunden hatte, ließ es sich dieser nicht nehmen, unter dem Vorwand, daß er nach seinem Gut im Carcassonner Land sehen müsse, mich mit starker Eskorte heim ins Périgord zu geleiten, zu gefährlich waren Straßen und Städte derzeit für Hugenotten. Und als Dame Gertrude du Luc – die meinem Bruder Samson ja das Leben gerettet hatte, indem sie ihn hinderte, Hals über Kopf nach Paris zu eilen – sich unserer Reise unbedingt anschließen wollte, nicht nur, weil sie für Pilgerfahrten schwärmte (ebenso wie ihre Zofe Zara), sondern vor allem, weil sie meinen Vater kennenlernen wollte, so lud ich sie ein nach Mespech, wohl wissend, daß sie beharrlich und unbeirrbar trachtete, meinen Herzensbruder Samson endlich zu heiraten.
    Es war Weinlese, als wir auf Mespech eintrafen, und nach der Freude, meinen Vater und Onkel Sauveterre wiederzusehen, wurde ich zum erstenmal im Leben des Anblicks nicht froh, wie unsere Leute die schönen Trauben in der Kelter traten, rief mir der sprudelnde rote Saft doch ungewollt die Ströme von Blut vor Augen, die am 24. August und noch Tage danach das Pariser Pflaster tränkten.
    Aber ich muß gestehen, bei der Erinnerung an meine Ritte über die Landstraßen des Königreichs und meine unerhörten Abenteuer in der Hauptstadt kam mich nach einer Woche des ländlich geruhsamen Lebens in der Baronie meines Vaters die Langeweile an.
    Den Winter wollte ich hier ohnehin nicht verbringen, denn ich gedachte, mich zu Bordeaux als Arzt niederzulassen. Aber, du weißt wie ich, Leser, Fortuna spottet der Vorsätze und Pläne des Menschen und macht sie zunichte wie Wellen die Sandburg |6| eines Knaben: zwei Monate hatte ich auf Mespech bleiben wollen. Ich blieb zwei Jahre.
    Und ist es auch mein Hauptanliegen, auf diesen Seiten zu schildern, wie mein guter König Heinrich III. in Erscheinung und Wesen wirklich gewesen ist und nicht, wie Lug und Trug der Ligarden und Guisarden (der Liga- und der Guise-Anhänger, meine ich) ihn verunglimpften, die meinen armen König zu seinen Lebzeiten ja mit giftigem Haß überschütteten durch Abertausende Schmähschriften, Spottverse, Pasquille und ach! durch abscheuliche Predigten sogar von den geweihten Kanzeln herab, wo von Rechts wegen allein die göttliche Wahrheit gelehrt werden sollte, so erzählt die gegenwärtige Chronik doch auch die Geschichte meiner Familie samt ihren häuslichen Freuden und Kümmernissen, also daß ich nicht holterdiepolter hinweggaloppieren will über das, was uns in besagten zwei Jahren widerfuhr, Samson, François, meiner kleinen Schwester Catherine, der Bruderschaft – meinem Vater und Sauveterre, will ich sagen –, Dame Gertrude du Luc, Quéribus und meiner Angelina.
    Wenn ich mich recht entsinne, gab es bei meiner Heimkehr nach Mespech im Jahr 1572 Streit um die Vermählung meines Bruders Samson mit Gertrude, obwohl diese Verbindung unsere hugenottische Sparsamkeit höchst vorteilhaft dünken mußte, wollte die in meinen Bruder vernarrte Dame, die seit 1567 schon mit ihm schlief, ihm doch die schöne Apotheke der Béquerets zu Montfort-l’Amaury als Mitgift einbringen.
    »Ihr solltet Samson diese Heirat verbieten!« sagte Onkel Sauveterre zu meinem Vater, während wir zu viert zu dem guten Cabusse nach Breuil hinausritten. »Die Dame ist Papistin und Rompilgerin.«
    »Wie kann ich meinem Sohn verbieten«, sagte Jean de Siorac, »was ich selbst getan habe, indem ich Isabelle de Caumont zur Frau nahm?«
    »Und sie bekam Euch übel genug, mein Bruder, die Ehe mit der geschworenen Papistin!« sagte Sauveterre, der mit seinem krummen Rücken und seinem geduckten, dürren Hals mehr denn je einem alten Raben glich.
    »Übel bekam mir’s«, sagte mein Vater, und seine lustigen Augen verdunkelten sich bei dieser Erinnerung, »daß ich eine Dame von soviel altem Geblüt und Stolz mit Pauken und |7| Trompeten habe bekehren wollen … Trotzdem war sie mir eine gute Gemahlin«, setzte er mit einem Blick auf uns, François und mich, hinzu, die wir dicht hinter den Herren Brüdern ritten. »Und ich habe sie sehr geliebt.«
    Worauf Sauveterre für eine Weile verstummte. Auch wenn er ein zu rechtschaffener Mann war, als daß er sich nicht bemüht hätte,
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