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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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Mähne.
    In einem hohen, tapisseriebezogenen Lehnstuhl saß Gertrude du Luc vor einem hell flammenden und knisternden Kienfeuer, dem einzigen Feuer im Haus, dank der Höflichkeit des Barons von Mespech, so kalt dieses Oktoberende auch war. Bei meinem Eintritt erhob sie sich nicht wie sonst, mir die Arme schwesterlich um den Hals zu schlingen und mich an sich zu ziehen, immer gelüstig nach Männlichkeit. Nein, sittsam und still wie ein Engelsbild betrug sie sich hier unter Aufsicht der Herren Brüder! Außerdem waren wir nicht allein. Die Gavachette, in der kleinen Hand ein dickes Bündel Talglichter, steckte diese auf zwei Leuchter beiderseits des Spiegels, und als Gertrude, ohne sich irgend vom Platz zu rühren, mir schmachtend ihre Hand darbot zum Kuß und ich die Lippen darauf drückte, wurden die schwarzen Augen der Gavachette noch schwärzer, was der blonden Normannin nicht entging.
    »Mädchen«, sagte sie in etwas hochfahrendem Ton, »wenn du die Kerzen aufgesteckt hast, holst du mir gleich noch Scheite für mein Feuer.«
    »Nein, Madame!« sagte die Gavachette. »Kommt nicht in Frage! Ich geh nicht!«
    »Und warum nicht, freches Ding?« fragte Gertrude, baff über solchen Ton.
    »Ich bin guter Hoffnung und darf nicht schwer tragen«, sagte die kleine Schlange. »Aber«, setzte sie zischend hinzu, »der Hauptgrund ist, daß ich nicht will!«
    »Zara«, rief Gertrude fassungslos, »hast du das gehört? Hat Gewürm sich jemals so aufgeführt? Bei meinem Gewissen! Man könnte vergehen! Zara, gib der Schnepfe eine Ohrfeige!«
    Worauf Zara, wenig erbaut von diesem Auftrag, ziemlich lasch auf die Schuldige zutrat, diese jedoch, die barfuß war und nicht auf hohen Hacken stakste, behende hinter den Tisch entwischte.
    |12| »Schon wieder neue Scheite!« murrte sie. »Und zehn Kerzen Tag für Tag! Ich glaube, man will uns hier an den Bettelstab bringen!«
    »Still, dumme Trine!« sagte ich, damit sie sich in ihrer Aufsässigkeit nicht noch mehr verplapperte. Und indem ich sie wie eine Katze beim Genick packte, befreite ich sie von den Talglichtern und streckte sie der schönen Zara hin, die sie nur widerstrebend entgegennahm, sie hätten ja ihre gesalbten Finger beschmutzen können.
    »Komm, Fräulein Widerborst«, sagte ich und schob die Gavachette zur Tür. »Wenn du die Peitsche brauchst, um dir Manieren beizubringen – die kannst du haben!«
    »Oh, nein, nicht die Peitsche!« schrie Gertrude, deren Zorn schon verraucht war.
    »Moussu« 1 , sagte die Gavachette leise, als sich die Tür hinter uns schloß, »wollt Ihr wirklich Euer armes, kleines Weibchen auspeitschen, das Euch wie eine Wilde liebkost, wenn Ihr’s nur mit dem Finger streift?«
    Und hierbei faßte sie mich um die Mitte und schmiegte sich so eng in meine Arme, daß ich sie gar nicht hätte schlagen können, höchstens zum Spaß, in verliebter Rangelei.
    »Ha, Zigeunerin!« sagte ich, »mußtest du wieder unverschämt werden! Was hat dich gestochen, sag mal, daß du die hohe Dame anfauchst?«
    »Meine Eifersucht«, sagte sie jäh und senkte wie eine kleine Ziege die Stirn. »Ach, Pierre! Ich hasse diese beiden Huren, die ihre Altweiberfalten unter Schminke verstecken und alle Männer mit ihren Blicken verschlingen.«
    »Altweiber!« sagte ich lachend.
    »Und ob! Dame du Luc könnte meine Mutter sein!«
    »Schluß jetzt!« sagte ich. »Sie gehört Samson, nicht mir. Die beiden reisen sowieso bald ab.«
    »Gott sei Dank!«
    »Halt den Schnabel!« sagte ich, längst besänftigt durch das feste Fleisch in meinen Armen, auch klingelte mir noch in den Ohren, was sie von ihren Liebkosungen gesagt hatte. »Ver schwinde , kleine Schlange, und bitte Miroul, die Scheite heraufzubringen.«
    |13| »Frau Schwester«, sagte ich, als ich in das Zimmer zurückkehrte, »ich bitte um Entschuldigung für diesen Verdruß. Ich hätte die Schuldige gezüchtigt, wenn Ihr sie nicht begnadigt hättet.«
    »Eija!« sagte sie mit blitzenden Augen, »hörte ich nicht, das Mädchen sei schwanger? Ist die Frucht Euer Werk?«
    »Meines, ja.«
    »Ha!« sagte Gertrude, »keinen Schlag hättet Ihr getan, wo Ihr’s so bequem habt.«
    »Das ist wahr, Madame.«
    »Und da die Kleine das weiß, muß ich mir aus ihrem Mund wohl noch mehr Unziemlichkeiten gefallen lassen?«
    »Nein, Gertrude«, sagte ich. »An ihrer Statt wird mein reizender Miroul Euch bedienen.«
    »Was, ein Mann!« sagte die schöne Zara und tat, als könnte sie Männer nicht ausstehen. »Ein Mann hier bei uns! Na, ich
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