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Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi
Autoren: emons Verlag
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Eins
    Das hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt.
    Als Herr Dr. Habschick mich telefonisch vom Ableben meiner Tante Marion und meinem anstehenden Erbe informierte, hatte ich weniger Matsch und deutlich mehr Hochglanz im Sinn.
    Ich weiß nicht, ob ich die realistischen Erinnerungen an diesen Ort aus meiner Kindheit einfach nur verdrängt hatte. Meine Phantasie gaukelte mir jedenfalls paradiesische Bilder vor. Über allem schien die Sonne, der Himmel strahlte in tiefstem Blau, und der Baum hinter Tante Marions Küche hing wie in meiner Kindheit voller süß-saftiger Kirschen.
    Trotzdem bat ich den Notar um Bedenkzeit. Ich kannte mich. Schnell begeistert, himmelhoch jauchzend und dann umso betrübter, wenn der Absturz kam. Wobei Absturz in vielen Fällen mit Realität gleichzusetzen war. Einer Realität, die mich in vollem Galopp überholte.
    Das war so gewesen, als ich in der Schule eine Gruppe organisierte, die Brieffreundschaften mit inhaftierten Jugendlichen pflegte, und einer der Knaben, die sich dafür gemeldet hatten, nichts Besseres zu tun hatte, als die Urlaubspläne meiner Freundin und ihrer Familie breitgefächert an mögliche Interessenten weiterzugeben.
    Immerhin war er die Ausnahme gewesen, und bei uns anderen vieren trugen die Kontakte wirklich dazu bei, dass die Männer im Anschluss ihr Leben auf weniger dunkel verschlungenen Pfaden weiterführten. Nur die Begeisterung der Eltern meiner Freundin über ihr sehr sauber ausgeräumtes Haus hielt sich in Grenzen.
    Das immerhin hatte ich bisher gelernt: Nicht alles, was auf den ersten Blick verführerisch lockte, hielt auch beim näheren Hinsehen seine Versprechen.
    Außerdem war ich älter geworden. Mit zweiunddreißig wechselt man nicht mehr so spontan die Lebensräume. Auch wenn der Traum vom Leben auf dem Lande sich in meinem Hinterkopf seit meiner Kindheit hartnäckig festgebissen und in besonders stressigen Augenblicken verlockende Bilder einer Sonnenliege auf grüner Wiese direkt vor Tante Marions Küchentür durch mein Hirn gejagt hatte. Ich hatte schließlich ein Leben, eine Arbeit, Freunde. Hier in der Stadt. Nicht in Kleinhaulmbach.
    In Kleinhaulmbach gab es Wiesen, Kühe und natürlich Marions wunderbaren Kräutergarten. Sie brachte mich bei meinen Sommerferienbesuchen auf den Geschmack und war der Grund für zunächst kindliche Experimente mit unterschiedlichstem Erfolg im Blumenkasten und letztlich für mein Biologiestudium.
    »Fachgebiet Kräuter und Heilpflanzen« stand seitdem in meinem Lebenslauf, auch wenn ich wegen meiner journalistischen Arbeit die Praxis seit dem Uni-Abschluss sträflich vernachlässigt hatte.
    Ich war also unschlüssig. Oder war das, was ich Vorsicht nannte, eigentlich Angst? Die Furcht vor Veränderung meines Lebensweges, den ich vor nicht allzu langer Zeit erst als Trampelpfad durch den Dschungel der Dauerpraktika geschlagen hatte? Die Bulldozer standen bereit und liefen sich schon warm, um aus dem schmalen Weg eine breite Straße zu machen. Sollte ich wirklich den Schlüssel abziehen und ihn einfach wegwerfen? Auf meiner Schulter schlug ein blond gelocktes Engelchen einen Ausdruck meines Rentenbescheides aus dem Jahr 2045 um die Ohren eines kleinen abenteuerlustigen Teufels in Indiana-Jones-Outfit. Der Engel gewann, Indiana Jones zog murrend davon und vergaß sogar seine Peitsche.
    Dann meldete sich mein schlechtes Gewissen.
    Abgesehen von den saisonalen Grußkarten zu Weihnachten und Ostern und den jährlichen Anrufen zum Geburtstag hatte ich den Kontakt zu Marion einschlafen lassen. Seit Ewigkeiten hatte ich sie nicht mehr besucht. Es mir nur immer wieder vorgenommen, mit dem Gedanken, es unbedingt zu tun, wenn endlich Zeit dafür da wäre.
    Allerdings hatte sie von sich aus auch nichts hören lassen. Dazu war sie selbst zu beschäftigt. Sie brauchte die Zuwendung einer fernen Nichte nicht, um sich zu bestätigen.
    Ab und an las ich in einer Zeitung von Umweltaktionen, an denen sie maßgeblich beteiligt gewesen war, obwohl sie keiner Partei angehörte. Zweimal hatte ich sie auf einem Foto entdeckt. In der ersten Reihe, mit energisch entschlossenem Gesichtsausdruck. Das letzte Mal erst vor Kurzem, bei einer Demonstration gegen den Einzug eines riesigen Outlet-Stores in ihr Dorf. Sie war mir alterslos erschienen, und ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass sie eines Tages nicht mehr da sein könnte. Schon gar nicht so bald.
    Dr. Habschicks Anruf hatte mich überrascht, und es hatte eine Weile
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