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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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das Heilmittel dem Übel zu nahe rücken, oder umgekehrt«, sagte ich lächelnd. »Im übrigen werdet Ihr solcher Vergebung nicht mehr bedürfen, wenn Ihr ohne Sünde mit Samson in ehelichen Banden lebt.«
    »Allerdings«, sagte sie, indem sie ihre Hände von meinen Schultern zog und mit einem tiefen Seufzer in ihren Lehnstuhl sank.
    Eine Weile verharrte sie stumm, die schöne Zara stand neben ihr, aber gewiß nicht wie ein Schutzengel, denn als ihre mitleidigen Augen sich von ihrer Herrin lösten und mich trafen, blickten sie, zumindest in dieser Minute, kaum liebreicher als vorhin auf meinen Diener.
    »Demnach soll ich versprechen, künftig auf meine Pilgerfahrten zu verzichten?« fragte Gertrude mit neuerlichem Seufzen.
    »Ihr müßt.«
    »Ha!« sagte sie. »Grausam setzt Ihr mich unter Druck!«
    |16| »Nur um der Liebe willen zu Ihr wißt schon wem.«
    »Würde ich ihn heiraten wollen«, sagte sie, »wenn ich ihn nicht liebte?«
    »Oh, Gertrude!« sagte ich, indem ich ungeduldig aufstand, »nun erkenne ich Euch! Ihr wollt alles haben, Samson und Eure hübschen Ausflüge. Aber das gibt es nicht!«
    »Holla, Monsieur!« sagte plötzlich Zara in zornigem Ton, »merkt Ihr nicht, daß Ihr meine Herrin unmäßig quält, wenn Ihr Euch derart als Sittenrichter und Tyrann aufspielt? Was für blöde Tiere die Männer doch sind, unsereinem so das Messer an die Kehle zu setzen! Pfui, wie boshaft! Was schert denn Euch die Ehe Eures Herrn Bruders, wenn er einmal verheiratet ist! Ist das Eure Angelegenheit?«
    Worauf ich tat, als hätte ich nichts gehört, und Zara keines Blickes würdigte, was ihr denn entschieden wider den Strich zu gehen schien, umhüllten meine Blicke sie doch sonst mit Blumen, von den Lobreden ganz zu schweigen, die sie schlürfte wie Gras den Morgentau.
    »Still, Zara«, sagte Gertrude. »Schweig still, mein Schnäbelchen! Monsieur de Siorac ist in Sorge um meinen schlichten, hübschen Samson, und er will, daß er unter meinen weiblichen Schwächen nicht leide, ja, er versucht als guter Bruder, sie mir auszutreiben. Das ist das ganze Geheimnis. Und er tut wohl daran, Zara, auch wenn es mir auf den Magen schlägt. Ach, Pierre!« fuhr sie seufzend fort, »ich fand es gar keinen so üblen Zustand, Witwe zu sein, frei über mein Geld zu verfügen, frei meine Flügel zu breiten und jahrein, jahraus nach Chartres, Toulouse, Rom oder Compostela zu wallfahrten, wie ich Lust hatte … Aber, wenn ich Samson will, das sehe ich ein, muß ich über meine schönen Kavalkaden ein Kreuz machen.«
    »Seid Ihr dazu ein für allemal entschlossen?« fragte ich in sanfterem Ton.
    »Ein für allemal.«
    »Ach, Madame!« sagte Zara, Tränchen am Wimpernsaum, voller Anteilnahme an diesem Streit, waren diese Reisen doch gar zu schön und wonnenreich gewesen.
    »Meine Schwester«, sagte ich zu Dame du Luc, indem ich auf die Knie fiel und meine Lippen auf ihre schöne Hand senkte, »bewahrt mir meines Eifers wegen keinen allzu großen Groll. Aber Ihr kennt die Unschuld meines Samson und seine |17| unbeugsame Strenge. Beim kleinsten Seitensprung würde er Euch von sich abtun wie ein fauliges Glied, und sollte es ihm das Herz zerreißen.«
    Worauf Gertrudes Herz, das ebenso zärtlich war wie ihre Sinne schwach, überquoll und sich aus ganzer Seele in einem Schluchzen ergoß, daß es nicht mit anzusehen war und Zara neben mir niederfiel, also daß wir sie zu zweit trösteten und streichelten und ihr so viele Küsse und gute Worte gaben, bis wir sie endlich besänftigt hatten.
    »Mein Pierre«, sagte sie, als die befreite Brust ihr wieder zu sprechen erlaubte, »wenn Ihr nicht Angelina liebtet und ich nicht Samson, müßte ich Euch heiraten: Ihr seid gegen mich so hart und hellsichtig, daß es mich seltsam erleichtert, Euch zu gehorchen, auch wenn es mir noch so widerstrebt.«
    »Hoho, Madame!« sagte Zara, der dieses Geständnis einem Verrat an ihrem Geschlecht gleichkam.
    »Zara! Zara!« sagte Dame du Luc. »Beim himmlischen Hafen, tadle mich nicht! Und schließe Frieden mit Monsieur de Siorac! Nicht noch einmal wirst du ihn ›boshaft‹ und ›blödes Tier‹ schelten, wie du es dir herausnahmst.«
    »Madame«, sagte Zara, indem sie die lieblichen Lippen vorstülpte, was eine sanfte Wellenbewegung ihres ganzen Körpers auslöste, »wenn Monsieur de Siorac von mir eine Entschuldigung verlangt …«
    »Nicht doch, Zara«, sagte ich, »deine Schönheit ist alle Entschuldigung, derer es bedarf, und Küsse hier, auf deine süßen
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