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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell
Autoren: Akif Pirinçci
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    1.
     
     
     
    K ann es sein, daß sich mit zunehmendem Alter Eitelkeit, Selbstüberschätzung und eine gewisse Geringschätzung der Jugend zu einer unheilvollen Mischung anreichern? Die Antwort darauf mag die folgende böse Geschichte geben. Ich selbst fühlte mich gefeit gegen derlei charakterliche Abnutzungserscheinungen. Kein Wunder, war ich doch bis dahin der hellste Stern im Universum meiner Wahrnehmung und die alles überstrahlende Sonne in dem der anderen. Jedenfalls bildete ich mir dies gerne ein. Doch auch Götter werden alt, und das untrüglichste Kennzeichen für das Altern eines Gottes ist, daß er den jungen Gott nicht erkennt. Dabei fing alles so weltlich an, ja mit einer Welt im Stillstand.
    Ich saß da. Ich saß einfach da. Auf der erst im Sommer cremeweiß gestrichenen Bank des Toilettenfensters. Den Blick durch zu bloßen Schlitzen verengte Augenlider nach draußen gerichtet, während mein Rückenpelz, ja mein ganzes Ich von der emporsteigenden warmen Heizungsluft liebkost wurde. Mein allgemeines Befinden schwankte zwischen dem einer fleischgewordenen Schlaftablette und der Glückseligkeit einer erleuchteten Hindu-Kuh. Dunkel, beschaulich und mollig warm war es hier drinnen am frühen Abend, während draußen der erste Schnee fiel. Es war Dezember, ach, mein Lieblingsmonat, und auch wenn ich keiner Spezies angehöre, die sich einen Winterschlaf gönnt, so bildete ich mir in dieser Jahreszeit gern ein, daß mir ein solcher gut anstünde. Denn um der Wahrheit die Ehre zu geben, außer D ö sen und Schlafen fand seit geraumer Zeit in meinem Leben nicht allzuviel statt. Schwer zu sagen, ob dieser Zustand unter »Harmonie im Alter« oder »Verblödung im Alter« zu verbuchen war.
    Der rieselnde Schnee hellte die Gartenlandschaft hinter unserem Gründerzeit-Altbau mit einem magischen Schimmer auf. Die dicken Schneeflocken legten sich wie Myriaden von Gespenstern langsam, aber beharrlich auf das Labyrinth der Gärten, welche voneinander durch hohe verwitterte Ziegelsteinmauern getrennt waren. Grau glühten die kahlen Äste und Büsche, die welken Wiesen begannen milchig zu leuchten, und ein spürbarer Friede sank auf das Terrain, in dem in der Hitze des Sommers so viel Zwietracht herrschte. O wie wohl war mir, so geschützt gegen den Frost. Wie genoß ich die Gewißheit, daß meine lieben Freunde, die Mäuse, durch das Anfressen ganzer Ernten vielleicht Hungersnöte auszulösen vermochten, doch niemals gegen das stählerne Ungetüm des Heizkessels in unserem Keller etwas ausrichten konnten. Und dann erschien vor meinem inneren Auge die Weihnachtsgans, die Gustav in einigen Wochen nach aller Kunst zubereiten und von der er mir nach alter Tradition das letzte Viertel überlassen würde.
    Apropos Gustav: ein Mann, bei dessen Anblick einen leicht das Gefühl beschleicht, man schaue ihm beim Absterben seiner Hirnzellen zu. Obwohl eine Koryphäe auf dem Gebiet des ägyptischen Götterwesens, hat er es, von temporären Erfolgen abgesehen, bis heute nicht geschafft, einen einträglichen Platz am Trog des Wissenschaftsbetriebs zu ergattern. Zeitweilig hielt er uns mit abgeschlossenen Romanen für Frauenzeitschriften (die mit der Goldkante) über Wasser. Heute versucht er sich als Horoskopist im Internet, obgleich er vom Sternendeuten etwa soviel Ahnung hat wie ein Mastschwein von seiner Bestimmung. Er nennt sich gerne mein »Herrchen«, wogegen ich eigentlich nichts einzuwenden habe, solange er mir den Lebensstil Ludwigs XIV. gewährleistet. Was mich eher irritiert, ist die Verniedlichungsform an sich. Denn einer sechsundfünfzigjährigen, fast glatzköpfigen, massiv bebrillten Sumo-Ringer-Erscheinung ein »-chen« anzuhängen, ist sowohl physikalisch als auch stilistisch betrachtet ein Mißgriff. Und was das »Herr« betrifft – aber lassen wir das.
    Und doch gibt es da etwas zwischen uns. Vielleicht nicht gerade ein Band der Liebe, aber sagen wir mal einen Bindfaden des Respekts. Kein einziger Morgen, an dem ich aus dem Schlaf erwache, in die Küche trippele und meinen Napf leer finde. Und nie muß ich die Streicheleinheiten missen, wenn mich die üblichen vorfrühlingsbedingten Stimmungstiefs überfallen: ich auf seinem grotesk aufgeblähten Bauch liegend, die Augen geschlossen voller Wohlbehagen, er in einen Schinken über irgendwelche Ausgrabungsabenteuer vertieft, während draußen der ewig graue Himmel vergeblich gegen diesen warmen Gleichklang ankämpft. Selbstverständlich ist es für einen
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