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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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Tag und Stunde fest.
    »Sire«, sagte Bellegarde, der noch sehr jung war und manchmal etwas Kindliches an sich hatte, »dann geht Ihr, wenn ich Euch recht verstehe, heute nachmittag nicht zur Königinmutter?«
    »Ha, Bellegarde, Bellegarde!« sagte der König und lächelte mit halbem Mund, »dir fehlt der politische Sinn. Selbstverständlich gehe ich hin, nun erst recht! Seit vierzehn Jahren«, fuhr er leise fort, indem er mit einem Finger auf den Boden zeigte, »stiftet diese Dame und Urheberin meiner Tage Wirrnis in meinen Affären und will mich mit dem Teufel versöhnen, heiße der Teufel auch Alençon oder Guise. Und was besagte Dame sich unter Verhandlungen vorstellt? Alles hingeben, und sei es die Hälfte des Reiches! Und sei es die Konnetablerie! Nun denn, Potzblitz, geben wir alles! Die Effekte sehen wir morgen.«
    Der König wollte, daß nur Bellegarde ihn zur Königinmutter begleite, weil Bellegarde so verschwiegen und so wenig intrigant war, daß niemand ihn verdächtigen konnte, den König zu beeinflussen. Später, als ich im Lauf der Jahre Bellegardes Vertrauen gewonnen hatte, erzählte er mir, der König habe sich an jenem Nachmittag als der blendendste
commediante
1 erwiesen, den er je auf einer Bühne sah. Guise sei ihm zuerst mißtrauisch und mit kühler Zurückhaltung begegnet, der König überhäufte ihn jedoch mit Freundschaftsbekundungen und machte ihm mit halbem Wort Versprechungen für seine große Zukunft, was er in vielerlei Liebenswürdigkeiten einhüllte, auch plauderte er so heiter und wurde so reizend privat, daß er dem Herzog sogar aus seiner Bonbonniere anbot und aus der seinen naschen |515| wollte, bis Guise sich lockerte und unter soviel Hulderweisen schmolz wie Schnee an der Sonne und die Königinmutter in ihrem Bett sich gratulierte, die Dinge so gut eingefädelt zu haben, und die Hände des Herzogs und des Königs ineinanderlegte, als handelte es sich um eine Vermählung.
    »Mein Cousin«, sagte der König, bevor er von Guise schied, in dem vertraulichsten Ton, »wir haben viele offene Angelegenheiten, die vor dem Jahresende dringend zu entscheiden sind. Kommt darum morgen frühzeitig zum Rat. Ich werde nicht zugegen sein, weil ich mich für einige Tage in mein Haus La Noue begeben möchte: Ihr teilt mir dann nachher mit, was Ihr beschlossen habt.«
    Diese Worte des Königs ließ ich mir von Bellegarde zweimal wiederholen, und der toskanische Gesandte, Filippo Cavriana, der die Königinmutter besuchte und so dem letzten Teil dieser Begegnung beiwohnte, bestätigte sie mir
verbatim
, denn der Toskaner, der Goldschmied war, hatte deren machiavellistische Finesse bewundert, war es doch ganz offenkundig, daß der König, indem er Guise an seiner Statt seinem Rat vorsitzen und die notwendigen Entscheidungen treffen ließ, ihm unausgesprochen bereits die Funktionen eines Konnetabels übertrug. Und daß ihm ein solcher Lorbeer winkte, mußte Guise unwiderstehlich zu besagtem Rat herbeiziehen, ohne daß sein Mißtrauen irgend etwas dagegen vermochte.
    Bevor der König zur Königinmutter ging, hatte er mir befohlen, in seinem Kabinett zu bleiben und in der Nacht vom 22. auf den 23. in seiner Garderobe zu schlafen, zusammen mit Du Halde, der sich dort für gewöhnlich ein Lager aufschlug, das er morgens zusammenrollte und in einem Schrank verstaute. Dabei hatte Seine Majestät aber nicht präzisiert, welchen Dienst er von mir erwartete, so daß ich diesen ganzen Donnerstag nicht mehr zu tun hatte, als nach dem Diktat des Königs, weil sein Sekretär nicht zur Hand war, einen Brief an den Kardinal von Guise zu schreiben, der seit zwei Monaten nicht mehr zum Rat erschienen war, um ihn inständig zu bitten, an diesem Tage daran teilnehmen zu wollen, weil es die letzte Sitzung im Jahr sei und wegen der anstehenden Geschäfte äußerst wichtig. Dieser Brief war so liebenswürdig abgefaßt und so wohlwollend, und sein Empfänger war gegenüber dem König so unerträglich arrogant gewesen, als er am Tag nach |516| Eröffnung der Generalstände die bekannte Streichung gefordert hatte, daß ich sehr bald ahnte, daß ihm das gleiche Schicksal blühen sollte wie seinem Bruder. Und als ich deshalb Du Halde fragte, was er vom Kardinal halte, antwortete dieser, entsprechend der Meinung seines Herrn: »Er ist noch schlimmer als Guise.«
    Um neun Uhr abends ließ der König Larchant rufen, um sich zu vergewissern, daß er Guise tatsächlich unterrichtet hatte, daß er ihm am nächsten Morgen am Fuß der
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