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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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wie man weiß, schon von den »Fünfundvierzig« bewacht. Der Herzog, der also nur noch ein paar Klafter zurückzulegen hatte, um, noch lebend, ein toter Mann zu sein, schien mir sehr langsam zu gehen, vielleicht von seiner Nacht mit Madame de Sauves erschöpft. Und ein so großer Verräter er auch war, der sich von Spanien bezahlen ließ und den Staat ruinierte, so muß ich gestehen, daß es mich doch ergriff, als ich sah, wie er sich der ersten Stufe der Ehrentreppe näherte, und daß sich Mitleid in mir regte bei dem Gedanken, daß er aus den Armen einer Frau nun mehr in die Arme Gottes sinken sollte, aus wollüstiger Nacht in ewige Nacht.
    Er trat ein. Ich lief, es dem König zu melden, und seine jettschwarzen Augen erglimmten jäh.
    »Bellegarde«, sagte er, »befehlt den Torwächtern, die Tore zu schließen, sobald der Kardinal von Guise und Herr von Lyon im Schloß eingetroffen sind, und sagt Nambu, daß fortan niemand außer dem Herzog von Guise mein Gemach betreten darf.«
    Dann wandte er sich an die acht.
    »Setzt Euch dort auf die Truhen«, sagte er, »und verhaltet Euch still. Wenn der Herzog eintritt, steht Ihr auf und umgebt ihn, wie aus Respekt, bis zur Tür des Alten Kabinetts. Gebt gut acht, daß er Euch nicht verletzt. Er ist groß und stark. Ich wäre mir leid, wenn Ihr verwundet würdet.«
    Es beliebe dir, Leser, die »Fünfundvierzig« jetzt reglos, ernst und stumm wie ein Gemälde auf ihren Truhen sitzen zu lassen und in deiner Phantasie die verbotene, von Monsieur de Nambu bewachte Tür zu durchschreiten, die in den Ratssaal führt. Soeben ist der Herzog von Guise dort eingetreten, und es beginnt der Prolog zu dem Drama, dessen Verlauf ich später durch François von O und den Marschall von Aumont erfuhr. |525| In dem Augenblick, als der Herzog von Guise hocherhobenen Hauptes den Ratssaal betrat und von allen Anwesenden untertänigst begrüßt wurde, herrlich anzusehen in seinem lichtgrauen Seidengewand, den langen Mantel überm linken Arm und seinen großen Federhut in der Hand, war die Sitzung noch keineswegs im Gange, die Räte standen hier und da verstreut im Saal oder wandelten in kleinen Gruppen von einem Kamin zum anderen, denn die beiden einander gegenüberliegenden Kamine wärmten nur schwach, weil der Diener das Feuer auf Geheiß des Marschalls von Aumont zwar angezündet, aber vergessen hatte, Scheite nachzulegen.
    Endlich trafen auch Herr von Lyon und der Kardinal von Guise ein, und hätte der Himmel ihnen ein wunderbares Gehör verliehen, hätten sie durch die Mauern hindurch vernehmen können, wie hinter ihnen Tür und Tor zugeschlagen und die Zugbrücke hochgezogen wurden. Trotzdem begann der Rat noch nicht, bevor der Staatssekretär Martin Ruzé nicht die Tagesorder überbracht hatte.
    Der alte Marschall von Aumont, der mir Freundschaft bezeigte, seit er aus meinem Mund gehört hatte, wie ich der Hinkefuß Guises verräterischen Brief an Philipp II. entwendet hatte, schilderte mir später, wie sich die verstreut wartenden oder wandelnden Herren je nach ihrer politischen Zugehörigkeit gruppierten: hier die Ligisten, der Herzog von Guise, der Kardinal von Guise, der Erzbischof von Lyon; dort die lauen Royalisten: der Kardinal von Gondi und Erzbischof von Paris, der Marschall von Retz, die Staatssekretäre Marcel und Pétromol und der Sturkopf von Montholon; und an anderer Stelle endlich die entschlossenen Royalisten, dieselben, die der König ins Geheimnis des Komplotts eingeweiht hatte: er selbst, Rambouillet und François von O. Und von jeder Gruppe, erzählte mir François von O, blickte man scheel und lauernd nach der anderen und versuchte zu erhaschen, was dort gesprochen wurde. Da allerdings ein jeder fürchtete, belauscht zu werden, beschränkte man sich auf Nichtigkeiten.
    ›Wohin will denn der König bei dem schlechten Wetter?‹ fragte der Kardinal von Guise den Herzog.
    ›Stellt Euch vor‹, sagte der Herzog, ›er geht für ein paar Tage nach La Noue, wie er es von jeher gewohnt ist.‹
    »Mein lieber von O«, sagte ich, indem ich freundschaftlich |526| in sein lebhaftes und geistvolles Gesicht blickte, als er mir dies erzählte, »was, glaubt Ihr, hatte Guise in dem Augenblick im Sinn?«
    »Nichts!« sagte von O, die rabenschwarzen Brauen, dünn wie mit dem Pinsel gezogen, hebend. »Nichts! Großer Körper, kleines Hirn! Kurz, ein Goliath.«
    »Ein Goliath, gewiß!« sagte ich, »aber dieser Fürst war auch ein Heuchler, ein abgefeimter Lügner.«
    »Nun ja!«
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