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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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aufgehört hatte.«
    Soweit der Bericht, den ich François von O verdanke, und nun erzähle ich aus den Gemächern des Königs weiter, wo ich mich befand, das heißt, ich war im Neuen Kabinett mit dem König, d’Entragues, Bellegarde, Du Halde und dem Staatssekretär Revol.
    »Revol, es ist Zeit«, sagte der König ernst und entschlossen, »geh und sag Guise, daß ich ihn im Alten Kabinett erwarte.«
    Revol öffnete die Tür, die vom Neuen Kabinett ins königliche Zimmer führte, hob die Portiere und tauchte plötzlich wieder auf.
    »Mein Gott, Revol«, sagte der König, »was habt Ihr? Was gibt es? Wie blaß Ihr seid! Ihr werdet mir alles verderben! Reibt Euch die Wangen! Reibt Euch die Wangen, Revol!«
    »Ich bin nicht blaß«, sagte Revol mit schmalem Lächeln, »ich bin von Natur so.«
    »Aber was gibt es denn?« fragte der König, »warum kommt Ihr zurück?«
    »Es ist nichts Schlimmes, Sire. Monsieur de Nambu will mich nicht durchlassen ohne Befehl Eurer Majestät.«
    Nun hob der König die Portiere – die Tür stand noch offen – und sagte von der Schwelle des Neuen Kabinetts, ohne erst sein Zimmer zu betreten, zu Nambu, der die Tür zum Ratssaal bewachte, er solle Herrn Revol hinauslassen und den Herzog herein. Aber nur den Herzog.
    Nambu gehorchte, der König ließ die Portiere fallen und blieb dahinter stehen, dann rief er mich an seine Seite, ohne daß ich verstand, warum, machte es mir aber zunutze, indem ich mein Auge an einen Spalt zwischen der Portiere und dem Türrahmen legte.
    Der Rat war im Begriff – so wieder François von O –, einen Posten auf der Finanzenliste zu diskutieren, als Revol schleichenden |529| Fußes, mit seinem bleichen Gesicht, hereintrat, so mägerlich, leicht und substanzlos, als wäre er der leibhaftige Tod, dessen demütiger und sanfter Bote er doch nur bei dem lothringischen Prinzen war, auf den er mit tiefer Verneigung zutrat.
    »Euer Gnaden«, sagte er, »der König bittet Euch, zu ihm in das Alte Kabinett zu kommen.«
    Worauf er verschwand, oder sich wie ins Nichts auflöste, während sich Guise in seiner ganzen majestätischen Wohlgestalt erhob, so kraftvoll, breit und muskulös, als wäre er unsterblich, strahlend zudem in seinem lichtgrauen Seidenanzug und den Perlen an seinem Wams, mit seinen goldblonden Haaren und seinen schrägen leuchtendblauen Augen, die sich nur auf eine Dame des Hofes zu richten brauchten, und schon wurde ihre Tugend schwach. Im Stehen beugte er sich noch einmal hinab, steckte ein paar Backpflaumen in seine goldene Dose und schob die übrigen lässig auf den Tisch.
    »Meine Herren, wer will?«
    Dabei lachte er, und seine kraftvollen Kiefer entblößten seine blendenden, wie vom Goldschmied gereihten Zähne. Er schien von seinem Übelsein völlig genesen, nur daß sein linkes Auge wieder von der Narbe tränte, aber an dieses sein Doppelgesicht, halb lachend, halb weinend, war man so gewöhnt, daß niemand es beachtete, zumal er nun in so fröhlicher Stimmung war, als erwarte er sich nach soviel Huld und Liebenswürdigkeiten, mit welchen ihn der König am Vortag verwöhnt hatte, daß Seine Majestät ihn nur ins Alte Kabinett rief, um ihn mit dem Konnetabelnamt zu belehnen. Er warf sich den großen Mantel um die Schultern, schlang die Schleppe bald über den linken, bald über den rechten Arm, spielte damit ausgelassen und lächelte den anderen Herren mit einverständigem Augenzwinkern zu, als nehme er sie zu Zeugen, daß ihm der Fall seines Mantels wichtiger war als ein Gespräch mit dem König. Nachdem er verschiedene Arrangements probiert hatte, deren geheime Lächerlichkeit niemandem entging, raffte er seine Mantelschleppe endgültig über den linken Arm, nahm mit der linken Hand seine Bonbonniere und sein Schnupftuch, mit der rechten seinen großen Federhut und sagte, mit quasi königlichem Gruße: »Adieu, meine Herren!«, war in zwei Schritten an der Tür zum Gemach des Königs und klopfte an. Monsieur |530| de Nambu öffnete ihm, und sowie der Herzog hindurch war, schloß und verriegelte dieser die Tür, vielleicht ein wenig ruppiger als sonst, weshalb der Kardinal von Guise beunruhigt aufsprang.
    Was mich anging, der ich hinter der Portiere des Neuen Kabinetts durch besagten Spalt blickte, so sah ich Guise zuerst nicht, weil die von Nambu bewachte Tür rechts vom Kamin lag, doch ich hörte seine Schritte und sah, wie die acht Gascogner von den Truhen aufstanden und die Hand zum Gruß an ihre schwarze Samtmütze legten. Als der Herzog
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