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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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sagte von O, »aber seine Lügen waren plump, seine Heuchelei durchsichtig. Weil der König ihn bei seiner Rückkehr nach Paris nicht von d’Ornano hatte erschlagen lassen, dachte er, er werde es niemals wagen. Gott weiß, wie viele Warnungen er in Blois erhielt! Er hat keiner geglaubt. Er verstand nichts vom Charakter des Königs. Seine Güte hielt er für Feigheit. Wegen des Weibischen an ihm hielt er ihn für schwach. Aber Schwäche und Weib sind keine Synonyme, wie Guise eigentlich wissen mußte, da ihn die de Sauves um den kleinen Finger wickelte.«
    »Noch einmal«, sagte ich, »verriet die Physiognomie des Herzogs an jenem Morgen irgend etwas von Furcht oder Vorahnung? Denn schließlich war er allein, ohne jedes Gefolge, in diesem Schloß, das ihm nicht eben freund war.«
    »Keineswegs! Der Herzog bewegte sich durchweg mit der natürlichen Tapferkeit von Männern, die nicht denken. An jenem Morgen fror und hungerte ihn. Ihn fror, weil er aus Koketterie ein Seidenwams trug, das für die Jahreszeit zu dünn war. Ihn hungerte, weil er in den Armen der de Sauves zu spät erwacht war, um noch etwas zu essen. Obendrein hatte sein Diener vergessen, ihm seine Bonbonniere mit Sultaninen mitzugeben, die er zum Frühstück einzunehmen pflegte.
    ›Péricard‹, sagte er zu seinem Sekretär, ›ich habe einen Hunger, daß mir gleich übel wird. Sei so gut, geh zu meinem Diener und laß dir meine Dose geben.‹
    Kaum war Péricard gegangen, trat Larchant mit einigen Garden in den Ratssaal und spielte seine Rolle zur Vollkommenheit, zumal er das offene, sonnengebräunte Gesicht des guten Soldaten hatte, dem man keine Lüge zutraut.
    ›Euer Gnaden‹, sagte er, indem er sich tief vor dem Herzog verneigte, ›diese armen Leute lassen durch mich den Rat anflehen, daß sie hier warten dürfen, bis Seine Majestät kommt, um |527| ihm vorzustellen, daß sie, wenn sie nicht bezahlt werden, ihre Pferde verkaufen und zu Fuß nach Hause gehen müssen.‹
    ›Herr von Larchant‹, sagte Guise, ›ich werde mich für sie einsetzen und Euch mit all meiner Macht dienen. Es ist nur gerecht, ihnen den Sold anzuweisen.‹
    ›Aber‹, sagte der Staatssekretär Marcel, und ich glaube, ganz unschuldig, da er nicht mit im Komplott war, ›ich sehe doch auf diesem Papier, daß tausendzweihundert Ecus für sie angewiesen sind.‹
    Als er dies hörte, zog sich Larchant mit seinen Garden aus dem Ratssaal zurück, aber nicht von der Treppe.
    Indessen kam und kam Péricard nicht mit der Bonbonniere, und der Herzog wandte sich an Herrn von Saint-Prix, den Ersten Kammerdiener.
    ›Ich habe Hunger‹, sagte er, ›und habe meine Dose nicht mit. Herr von Saint-Prix, beliebt mir ein paar Kleinigkeiten aus der königlichen Dose zu bringen.‹
    ›Euer Gnaden‹, sagte Herr von Saint-Prix, ›wären Euch Backpflaumen genehm?‹
    ›Aber ja, Monsieur‹, sagte Guise.
    Hierauf brachte der Türsteher vom Ratssaal, Jean Guéroult, dem Herzog seine Dose, indem er sagte, die Garden hätten Péricard nicht durchgelassen, als er zurück in den Saal wollte. Der Herzog dankte ihm, aß Backpflaumen vom König und Sultaninen aus seiner eigenen Bonbonniere, einer sehr hübsch gearbeiteten vergoldeten Muschel, dann legte er sie auf den Ratstisch, und weil ihn plötzlich durch sein leichtes Wams die Feuchtigkeit des Raumes befiel, trat er vor den Kamin.
    ›Mich friert! Mir ist unwohl!‹ sagte er erschauernd. ›Man soll Feuer machen!‹
    Ein Diener legte ein Reisigbündel ein, der Herzog setzte sich davor auf einen Schemel, aber sei es, daß er zu plötzlich vom Kalten ins Warme gewechselt war, sei es, daß er die Pflaumen des Königs und seine Sultaninen zu gierig hinuntergeschlungen hatte, oder aber daß seine Nacht mit Madame de Sauves zu anstrengend gewesen war, sein Übelsein wuchs, und die Nase begann ihm zu bluten. Er suchte in den Hosentaschen nach seinem Schnupftuch, fand es aber nicht.
    ›Meine Leute waren heute morgen so in Hast‹, sagte er, ›daß sie mich nicht einmal mit dem Nötigsten versehen haben. Herr |528| von Guéroult, bitte, macht Euch die Mühe und ruft mir Péricard.‹
    Aber als Guéroult keinen Erfolg hatte, brachte Herr von Saint-Prix dem Herzog ein Schnupftuch des Königs, und da nun endlich auch der Sekretär Martin Ruzé mit der Tagesorder eintraf, setzten sich die Räte um den Tisch, und der Herzog gesellte sich sogleich dazu, in der einen Hand seine Dose, das zusammengerollte Schnupftuch in der anderen, weil sein Nasenbluten
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