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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich daran zu erinnern, daß Sie ein treuer Diener der Krone sind. Mein Vater sprach viel von Ihnen und Ihren Schiffen, die Rußlands Handel in der Ostsee ausbreiten. Aber über den Schiffen haben Sie Ihre Familie vergessen, Graf Koschkin.«
    »Die Liebe meiner Tochter Ninotschka zu dem Leutnant Borja Stepanowitsch Tugai begann unter einem glücklicheren Stern, Majestät. Aber jetzt …« Koschkin trat langsam näher und blieb fünf Meter vor dem Zaren stehen. »Ich kenne keinen Leutnant Tugai mehr. Das ist in meinem Haus Gesetz geworden.«
    »Und Sie merken nicht, daß man Sie belügt und betrügt, Pawel Michailowitsch?«
    Koschkin spürte, wie sich seine Kopfhaut zusammenzog. Was wußte der Zar, das ihm, Koschkin, unbekannt war? Was geschah hinter seinem Rücken?
    »Ich weiß von keinem Betrug, Majestät …«
    Nikolaus I. lächelte mitleidig. Er kam um seinen Schreibtisch herum und zeigte Koschkin ein Schreiben. Es war der Brief von General Lukow. »Wissen Sie, Graf Koschkin, wo sich Ihre Tochter Ninotschka Pawlowna zur Zeit befindet?«
    Koschkin nickte. »Sie ist zu einer Schneiderin gefahren. Mit Zofe und Kutscher.«
    »Näht man Kleider auf der Straße? Vor der Festung?«
    »Ich verstehe nicht, Majestät …«
    »Sie haben einen Schlitten bei sich, Pawel Michailowitsch? Dann fahren Sie zur Festung. Sofort! In einer Stunde erwarte ich Sie zurück. Die Wachen haben Befehl, Sie sofort durchzulassen.«
    Koschkin grüßte wieder und verließ die Bibliothek. Draußen sprang er in den Schlitten, warf die Decke aus Wolfsfell über seine Knie und brüllte den Kutscher an: »Zur Festung, Kerl! Lerne fliegen! Zur Festung!«
    Die drei Pferde zogen an und rasten hinaus auf den riesigen Platz vor dem Winterpalast. Dort riß der Kutscher sie herum, lenkte das Gespann über die Newabrücke, direkt zur Peter-Pauls-Festung.
    Schon von weitem sah Koschkin den Flammenschein der großen Lagerfeuer, und noch bevor der Schlitten hielt, wußte er, daß unter diesen dick in Pelze vermummten Frauen seine Ninotschka war. Die Fürstin Trubetzkoi erkannte Koschkin sofort, dann die Fürstin Woronowsky, als dritte die Gräfin Blunow. Und dann sah er am Feuer den Weißfuchsmantel von Ninotschka. Koschkin hatte ihn ihr geschenkt, als sie einundzwanzig Jahre alt geworden war, und es war der schönste Mantel gewesen, den es damals in ganz Petersburg gegeben hatte.
    Koschkin stieg aus dem Schlitten und stapfte durch den Schnee auf die Frauen zu. Einer von ihnen – er kannte ihren Namen nicht, hatte sie aber schon bei den Hofbällen gesehen – schlug er eine flammende Holzlatte aus der Hand, als sie ihn damit aufhalten wollte.
    »Soviel berühmte Namen!« rief Koschkin über den Platz. »Und ein solcher Haufen hirnloser Weiber!« Seine Stimme war gewaltig, man konnte sie nicht überhören. Ninotschka fuhr herum, und die Fürstin Trubetzkoi stellte sich schützend vor sie und antwortete Koschkin:
    »Ein alter Mann sollte mit Erinnerungen spielen, nicht mit der Neuzeit! Pawel Michailowitsch, Sie hingen immer an alten Kleidern – lassen Sie uns in Ruhe!«
    »Wenn die Neuzeit ein solcher Wahnsinn ist, bin ich froh, einen Platz hinter dem Ofen zu finden! Der Aufstand Ihrer Männer – gibt es etwas Dümmeres? Ist das eine Revolution?«
    »Es ist nun einmal geschehen!« Die Trubetzkoi stand in ihrer imponierenden Erscheinung vor Ninotschka wie eine Bärin, die ihr Junges schützt. »Und es ist mißlungen. Unsere Männer stehen dafür ein. Aber man soll sie behandeln wie Männer und nicht wie Tiere!« Sie hob beide Arme, als Koschkin näher kam. »Bleiben Sie stehen, Pawel Michailowitsch. Hinter Ihnen warten zehn Frauen und werden Ihnen die schöne Uniform versengen, wenn Sie weitergehen.«
    Koschkin stockte. Er blickte sich nicht um, das war unter seiner Würde, aber er wußte, daß die Fürstin Trubetzkoi die Wahrheit sprach.
    »Ich will mit Ninotschka reden«, sagte er heiser.
    »Warum?«
    »Bin ich nicht ihr Vater?«
    »Sie sind ihr fremder als ein Fisch in der Newa!«
    Koschkin atmete hörbar aus. »Das soll sie mir selbst sagen, Fürstin. Braucht sie ein Sprachrohr? Ich weiß, daß sie nicht stumm geboren wurde. Bis heute konnte sie manchmal zwitschern wie ein Schwälbchen.«
    »Ich werde es nie wieder können!« sagte Ninotschka laut. Sie ging ihrem Vater ein paar Schritte entgegen. »Ich werde nie wieder lachen können, Väterchen.«
    »Aber lügen, was? Lügen kannst du!«
    »Wenn es Borja nützt, ist jede Lüge geheiligt.«
    »Das also ist
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