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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Linie, bereit zur Attacke.
    Fürst Blensky legte den Arm um Tugais Schultern. »Das sind Ihre Kameraden, Borja Stepanowitsch. Sie werden angreifen. Ihre Freunde, mit denen Sie die Nächte durchgetrunken haben. Ausgerechnet Ihre Garde ist die erste. Los, laufen Sie über! Noch können Sie sich retten.«
    Tugai schüttelte stumm den Kopf. Er riß seine Pistolen aus dem Gürtel und spannte die Hähne. Säbel blitzten durch die eisige Luft, die lange Linie der Reiter setzte sich in Bewegung.
    Die letzten Stunden eines falsch geplanten, von idealer Schwärmerei erfüllten und zu schnell ausgeführten Aufstandes hatten begonnen.
    Geschütze feuerten in die Reihen der Aufständischen und spien Tod. Die Ordnung zerbrach. Um sich schießend, versuchten die Rebellen zu flüchten. Leutnant Tugai, sein Bursche Russlan Kolki und sein Freund, Leutnant Alexej Plisky ritten eine private, verwegene Attacke gegen ihre eigene Garde. Mit schwingendem Säbel in der Rechten, mit der Linken um sich schießend, galoppierten sie todesmutig in die Reihen der anderen Reiter.
    Oberst Graf Larmentow hob die Hand, als er die drei Angreifer erkannte. »Durchlassen!« brüllte er. »Bildet eine Gasse!« Und leise fügte er hinzu: »Dieser Hitzkopf Tugai! Wir werden Mühe haben, daß er seinen Kopf auf den Schultern behält …«
    Brüllend jagten Tugai, Kolki und Plisky heran, aber sie kamen nicht zum Kämpfen. Sie rasten in eine sich plötzlich bildende Gasse und starrten links und rechts in die wohlbekannten Gesichter ihrer Kameraden.
    Mitten unter den Gardereitern riß Tugai sein Pferd herum. Auch die beiden anderen zügelten ihre Pferde. Langsam schloß sich vor ihnen die Gasse wieder, und eben so langsam ritt Oberst Graf Larmentow auf sie zu. Vor Tugai hielt er an. »Ihren Säbel, Borja Stepanowitsch. Sie Tor … So jung, und verpfuscht sich sein Leben!«
    Borja senkte den Kopf und überreichte dem Oberst die Waffe. Dann glitt er aus dem Sattel und fiel auf den vereisten Boden. Erst jetzt sah man, daß er aus fünf Wunden blutete.
    Am Abend kam Graf Koschkin in sein Palais zurück. Ninotschka lief ihm entgegen. Sie trug immer noch das halbfertige Hochzeitskleid, und die Schneiderin Praskowja rannte jammernd hinter ihr her: »Sie wollte es nicht ausziehen, Hochwohlgeboren! Sie wollte es nicht ausziehen!«
    Pawel Michailowitsch Koschkin fing seine Tochter in seinen Armen auf. Er drückte sie gegen die Wand und krallte die Finger in den schweren französischen Seidenstoff des Brautkleides. »Herunter mit diesem Fetzen! Es gibt keine Hochzeit!«
    »Was … ist mit Borja?« stammelte Ninotschka. »Wo ist er?«
    »Ich kenne keinen Borja!« brüllte Koschkin. »In meinem Hause ist der Name Tugai nie gefallen. Zieh sofort das Kleid aus!«
    »Was ist mit Borja?« schrie Ninotschka wieder. Sie schlug ihrem Vater auf die Hände und riß sich von ihm los. Das war so ungeheuerlich, daß es Koschkin die Sprache verschlug.
    Ninotschka packte ihn an den Aufschlägen seiner Jacke. »Wo ist Borja?«
    »In der Festung!« Pawel Michailowitsch senkte den Kopf. Daß seine Tochter ihn auf die Finger geschlagen hatte, war schlimmer als jede Revolution. Es war der Zusammenbruch aller Ordnung, aller Moral, aller Liebe. »Man wird ihn erschießen …«

II
    Zehn Tage lang bestürmte Ninotschka Pawlowna Koschkina den Kommandanten der Festung, in die man die aufständischen Offiziere gebracht hatte und wo sie auf ihr Urteil warteten.
    Ninotschka tat es heimlich, begleitet von ihrer ehemaligen Amme Katharina Ifanowna, und log ihrem Vater etwas von Kirchenbesuchen oder Einkäufen vor, um das elterliche Palais verlassen zu dürfen. Der Kutscher Miron Fedorowitsch, den Graf Koschkin schwer bewaffnen ließ und der mit seinem Kopf für Ninotschkas Sicherheit bürgte, mußte natürlich in alles eingeweiht werden. Das übernahm Katharina Ifanowna.
    »Hör zu, du räudiger Bär«, sagte sie zu ihm. »Du kennst den Leutnant Borja Stepanowitsch Tugai. Er gehörte zu den Dekabristen und sitzt in der Festung. Erschießen wollen sie ihn, das feine, liebe Herrchen, und dem Fräulein bricht darüber das Herz. Fahr uns zur Festung und halte den Mund darüber.«
    Und Miron Fedorowitsch antwortete: »Sieh an, sieh an, der junge Leutnant war auch dabei! Dumme Menschen waren es, Katharina. So etwas Unorganisiertes … als ob sie alle Schlamm statt Hirn im Kopf hätten. Dabei haben wir alle so gehofft, daß es gelingt.«
    »Du auch?« Katharina Ifanowna starrte den riesigen Kutscher verblüfft
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