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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr
Autoren: Christoph Marzi
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Situation getan hätte.«
    »Er forderte einen Restaurator an«, dachte ich den Gedanken zu Ende.
    »Genau.«
    »So also kam ich hierher.« Immerhin war diese Frage damit beantwortet. »Aber warum musste ausgerechnet ein Restaurator nach Burg Karfunkelstein kommen?« Das war der Teil, wo die Geschichte Lücken aufzuweisen schien.
    »Dein Vater, Jonathan, muss die Echtheit des Bildes bestätigen«, brachte Greta es auf den Punkt. »Denn nur wenn es sich nachweislich um ein altes Bild handelt, wird es uns erlaubt, es hier zu behalten. Graf zu Metzengerstein, der derzeitige Besitzer der Burg, duldet da keine Kompromisse. Nur echte Zeitdokumente dürfen in diesen Mauern aufbewahrt werden.«
    »Es soll auf der Burg bleiben?«
    »Mein Bildnis wird unten im Rittersaal hängen, gleich neben dem großen Kamin, und die Touristen werden die Geschichte vom Leid der Elisabeth von Metzengerstein zu hören bekommen, die nichts anderes ist als die Geschichte meines Lebens. Niemand wird mich jemals vergessen.«
    »Aber es ist eine erfundene Geschichte«, gab ich zu bedenken.
    »Sie ist wahr«, widersprach mir Luzia. »So wie die Gefühle, um die es in der Geschichte geht, wahr sind. Für die Menschen werde ich das Burgfräulein aus dem Nettetal sein, das hierherkam, weil es seine wahre Liebe gefunden hatte. Von der Belagerung der Burg wird man zu berichten wissen und dem gewaltsamen Tod des heldenhaften Ritters Karl von Metzengerstein.« Mit der Faust schlug sie trotzig auf die Tischplatte, so dass die Teetasse anklagend schepperte. »Denn genau so hat es sich zugetragen. Elisabeth hat Karl geliebt. Nur wenige Tage echten Glücks waren ihnen vergönnt. Und solange dieses Schicksal die Menschen berührt, werde ich leben. Hier, in den Mauern von Burg Metzengerstein.«
    Mir schwindelte mit einem Mal.
    War ich tatsächlich in eine Geistergeschichte geraten?
    Mein Vater sollte die Echtheit des gefälschten Bildnisses zertifizieren, so dass es auf ewig hier ausgestellt würde? Luzia Grillparzer würde in der Geschichte der Elisabeth von Metzengerstein unsterblich werden? Konnte es wirklich so sein? Die Teile des Puzzles fügten sich zusammen wie die Kapitel eines Buches, dessen Seiten man mit Wucht herausgerissen und in alle Himmelsrichtungen verstreut hatte.
    »Wow!«
    Greta drückte meine Hand.
    Ganz fest, ganz fest.
    »Das sagst du oft, wenn dir die Worte fehlen.«
    Sie kannte mich mittlerweile ganz gut.
    »Wow!«
    Im Nachlass des Mario Amontillado hatte sich ein Brief befunden, den der Notar nach der Testamentseröffnung nach Burg Metzengerstein geschickt hatte. Zu Händen von Greta Grillparzer.
    »So kehrte er in sein Bildnis zurück und auch auf die Burg«, erklärte mir Greta. Und bevor ich eine weitere Frage stellen konnte, fügte sie hinzu: »Ich selbst musste die Geschichte lesen. Die Lebenden müssen die Geschichten aus dem Munde der Lebenden vernehmen. Nur so funktioniert es.«
    Skeptisch suchte ich nach einem fehlenden Stück dieser Erklärung.
    Doch auch Luzia stimmte dem zu. »Es ist so. Glaube mir einfach, junger Jonathan.«
    Zero, der noch immer zu meinen Füßen lag, rührte sich nicht.
    »Was ist mit dem Tierfriedhof?«
    »Greta unterhielt den Friedhof heimlich«, offenbarte mir Luzia. »Mit dem Geld, das wir durch die Begräbnisse der Haustiere verdienten, finanzierten wir die Fälschung der Dokumente.«
    »Du hast keine Ahnung, wie teuer so etwas sein kann.«
    Dem konnte ich nur zustimmen.
    »Die Trauernden kamen nur dann hierher, wenn Papa und Mama fort waren.«
    »Aber sie mussten doch vom Tierfriedhof gewusst haben«, gab ich zu bedenken.
    »Sie dachten, dass die Leute von allein ihre Tiere dorthin brachten. Dass es Tradition sei. Irgend so etwas.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Jedenfalls war es Papa egal. Er kümmerte sich einfach nicht darum, weil es für die Burg keinerlei Bedeutung hatte.«
    »Und die Tiere?«
    »Die leben alle in den Wäldern und in den Gewölben der Burg.«
    Ich streichelte den Labrador.
    »Zero?«
    »Der Arme wurde von einem Sattelschlepper überrollt.« Greta sah den Hund mitleidig an, was Zero nicht weiter zu stören schien. »Aber daran kann er sich nicht mehr erinnern, nicht wahr?«
    Zero wedelte mit dem Schwanz und bellte laut.
    Deshalb erzählten die Menschen also die Geschichten ihrer Haustiere.
    »Wow«, sagte ich schon wieder.
    Der Gedanke, dass die Wälder des Breitenbachtals bevölkert waren mit den Geistern verstorbener Haustiere, ließ mich frösteln. Letzten Endes
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