Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nightshifted

Nightshifted

Titel: Nightshifted
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
und stützte dann das Klemmbrett von hinten mit einem Kissen. »Haben Sie
Schmerzen?«
    Ich konnte es mir zwar eigentlich nicht vorstellen,
aber immerhin war er ja auch noch bei Bewusstsein. Er ignorierte mich einfach
und begann mühsam ein großes A zu schreiben.
    Â»Müssen Sie auf die Toilette? Möchten Sie fernsehen?
Soll ich das Licht ausschalten?« Ich spulte die Routinefragen ab, während er
drei-, nein, viermal N schrieb. Typisch für einen intubierten Patienten.
Seufzend schaute ich über die Schulter und sah Charles spöttisch grinsen.
    Also begann ich mit Standardansprache Nummer drei.
    Â»Es ist zwei Uhr morgens, und heute ist Sonntag, der
neunundzwanzigste November.« Und ich hatte seit Thanksgiving durchgearbeitet,
da ich die Neue unter den Krankenschwestern war und den Feiertagszuschlag
dringend brauchte. »Ich weiß, es ist frustrierend, nicht sprechen zu können, aber
Sie sind im Krankenhaus. Wir kümmern uns um Sie.« Ich tätschelte seinen Arm.
»Schonen Sie Ihre Kräfte, und ruhen Sie sich aus.«
    Er vervollständigte einen weiteren Buchstaben,
diesmal ein kleines A. Ich nahm ihm das Klemmbrett weg.
    Â»Annnna … Anna?«, las ich laut vor, woraufhin er samt
Schläuchen nickte. Ein kleiner Triumph, auch wenn es wahrscheinlich reine
Einbildung war. »Ich werde sehen, ob wir sie kontaktieren können.« In seinen
Augen blitzte menschliches – oder was auch immer es in seinem Fall war –
Verständnis auf, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Hätte ich
nicht gewusst, dass er Fangzähne hatte und Narkotika in einer Dosierung bekam,
die für ein Rhinozeros gereicht hätte, hätte er nicht anders ausgesehen als
jeder andere ältliche Patient. Ich nahm ihm den Stift aus der Hand, und er
schloss die Augen.
    Dann fing die Infusionspumpe, die ihm das Dormicum
verabreichte, an zu piepen. Ich schaltete den Alarm aus und warf Charles einen
flehenden Blick zu.
    Er rollte genervt mit den Augen. Natürlich hätte er sich niemals in sterile
Kleidung geschmissen und das Zimmer eines Patienten betreten, ohne das
Medikament mitzubringen, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
als Nächstes ausgehen würde. »Bin schon unterwegs.«
    Â»Danke«, sagte ich und schenkte ihm ein gewinnendes
Lächeln, das allerdings von meiner Maske verdeckt wurde. Ich drückte noch ein
paarmal auf den Stummschalter für den Alarm, und als Charles mir das Dormicum
brachte, hängte ich es so schnell wie möglich an, bevor ich wieder aus dem
Zimmer schlich.
    Â 
    Â»Sag mal, Meaty …« Ich
schob Mr. Novembers Klemmbrett über den Tresen des Schwesternzimmers, als wäre
es ein Beweisstück. »Wir wissen immer noch nichts über diesen Kerl, richtig?«
    Meaty wackelte unentschlossen mit einer großen Hand.
»Tut mir leid, Edie. Wir haben sein Foto an alle Throne rausgeschickt.«
    Ich schaute noch einmal auf das Klemmbrett und
seufzte. In meinem alten Job konnte ich zumindest gewisse Vermutungen
anstellen, was die Patienten anging. Früher wusste ich, dass jemand, der eine
zu hohe Arzneimitteltoleranz oder eine zu niedrige Schmerztoleranz aufwies,
wahrscheinlich kurz zuvor Drogen genommen hatte. Hier auf Y4 war das vielleicht ein
Werwolf. Oder ein Wertiger. Oder eine Werseekuh. Ich schnaubte. Gina, deren
Abteilung ein Stück weiter den Gang runter lag, war Tierärztin, examinierte
Krankenschwester und betreute die Wer-Gehege in Zimmer Eins und Zwei. Ich
wusste, dass eines davon gerade belegt war, da ich das Heulen hörte. In der
vergangenen Nacht war Vollmond gewesen. Hier achteten wir auf so etwas.
    Vielleicht war Mr. November auch ganz neu in der
Stadt, da die örtlichen Vampirthrone nicht sofort Anspruch auf ihn erhoben hatten.
Je weiter er von seiner Heimat entfernt war, desto länger würde es dauern,
herauszufinden, welchem Thron er angehörte. Vielleicht gaben Vampire ja auch
nur nachts Vermisstenanzeigen für Vampire auf.
    Â»Geht es ihm gut?«, fragte Meaty. Ich wusste nicht,
ob Meaty der Ansicht war, ich würde die Patienten schon durch meine reine Anwesenheit
verletzen, oder ob ich einfach von einer Schlechte-Schwester-Aura umgeben war.
Dabei war es nicht so, dass ich die ständigen Nachfragen nicht zu schätzen
wusste – ich mochte einfach das Gefühl nicht, dass sie wohl notwendig waren.
    Â»Ihm geht es gut, mir geht es gut, alles ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher