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Nightshifted

Nightshifted

Titel: Nightshifted
Autoren: Cassie Alexander
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nach
Hilfe. Aber ich war neu hier. Gerade, als ich bei meinem alten Job das Gefühl
bekommen hatte, endlich zu wissen, wie man eine richtige Krankenschwester ist –
ungefähr ein Jahr, nachdem ich von der Schwesternschule gekommen war –, hatte
mein Bruder sich eine Überdosis verpasst.
Heroin. Zum dritten Mal.
    Ein anonymer »Freund« (soll heißen Dealer) war nett
genug gewesen, Jake im Rinnstein liegen zu lassen und den Notruf zu wählen,
wodurch er hier gelandet war. Als ich die Notaufnahme erreichte, war er schon
bei der zweiten Dosis Naloxon angekommen. Was genauso gut Na-los-doch heißen
könnte, da es eigentlich die schädliche Wirkung von Heroin dämpfen sollte, zum
Beispiel die totale Gleichgültigkeit bei der Frage, ob man jemals wieder atmet.
Sie hatten einen intravenösen Zugang an seinem Hals gelegt, weil er an den
Armen so viele Einstichstellen hatte, dass man keine Vene mehr finden konnte.
Es war Glück im Unglück, dass er sich bisher noch nicht mit irgendetwas
infiziert hatte. Wenn er so weitermachte, würde diese Glückssträhne allerdings
nicht mehr lange anhalten, so viel war sicher.
    Ich wollte ihn berühren und auch wieder nicht, denn
man musste nun wirklich keine Krankenschwester sein, um zu wissen, dass er alle
möglichen Krankheiten haben konnte. Also war ich gerade auf der Suche nach
einem Paar Handschuhe, damit ich dem verdammten Junkie die Hand halten konnte,
als ein Mann auf mich zukam und fragte: »Wie würden Sie es finden, wenn ihr
Bruder clean würde?«
    Ich dachte, er wollte mir jetzt etwas über Jesus
erzählen, und setzte dazu an, ihm zu sagen, wo er sich das hinschieben konnte.
Doch dann bot er mir einen Job an.

Kapitel 2
    Â 
    Früher, als ich noch in
einer netten Privatklinik gearbeitet hatte, hatten wir einen speziellen Spruch,
wenn jemand etwas besonders Dämliches tat oder eine Entscheidung traf, die für
eine Krankenschwester nicht gerade brillant war: »Hey, glaubst du etwa, du bist
hier im County Hospital?« Oder auch: »Das war ja mal Countyniveau.«
    Aber was wäre, wenn beim nächsten Mal niemand den
Notruf wählte? Oder wenn Jake eine eitrige Wunde nicht ernst nahm? Im County zu
arbeiten schien immer noch besser zu sein, als ihm beim Sterben zuzusehen und
dabei zu wissen, dass ich das hätte verhindern können. Was genau ich damals
unterschrieb, wusste ich eigentlich nicht, nur, dass man mir versprach, dafür
zu sorgen, dass er clean blieb. Und im Gegensatz zu den ganzen anderen
Reha-Programmen, für die Mom all ihr Geld zusammengekratzt hatte, hatte es funktioniert.
    Jetzt arbeitete ich also tatsächlich im County. Aber
das war noch nicht alles. Station Y4 war zuständig für die Tageslichtagenten von
Vampiren, lizenzierte Spender, Werwölfe, Zombies und was einem sonst noch so
einfällt bestimmt – und für uns, die Angestellten, war sie die reinste Hölle.
Wir existierten in den tiefsten Eingeweiden des County, außerhalb jedes
Protokolls, vollkommen inoffiziell. Ich unterschrieb vierzig Formulare mit
dreifachem Durchschlag, bekam einen sonderbaren Spezialdienstausweis und Zugang
zu einem extra Aufzug. Als ich damit nach unten fuhr, erreichte ich einen ominösen
Flur, in dem mein Ausweis gerade mal zwei Türen öffnete: Eine führte zu den Umkleide-
und Waschräumen. Die andere bildete den Zugang zu Y4 , einer Intensivstation
mit acht Betten und dem Charme einer Lagerhalle: freiliegende Rohre, zu wenig
Licht … alles hier hätte einen frischen, helleren Anstrich vertragen können.
    Als ich über die Akte hinweg einen Blick in das
Krankenzimmer warf, sah ich, dass Mr. November wieder aktiv war, diesmal, indem
er heftig gegen das Fußteil seines Bettes trat. »Seien Sie ruhig!«, schimpfte
ich. Nach dieser neuerlichen Erinnerung entspannte er sich wieder. Das ist das
Problem bei Dormicum. Fentanyl ist das Narkotikum der Champions. Hundertmal
stärker als Morphium, das betäubt jeden Schmerz. Dormicum hingegen ist zwar ein
Hypnotikum, macht aber auch vergesslich. Der Vorteil ist, dass es den Patienten
hilft, auch die Angst zu vergessen, die sie befällt, wenn sie einen Tubus in der Lunge haben und eine Maschine sie
beim Atmen unterstützt. Der Nachteil besteht darin, dass jede Warnung
bezüglich der Schläuche in ihrem Körper, an denen sie bitte nicht ziehen
sollten, eine Halbwertszeit von ungefähr dreißig
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