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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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siebzig!«
    »Ja, das ist noch die Ökogeneration. Die nehmen nur naturbelassene Drogen.«
    Maryam nimmt ein Blatt aus der Akte, schaut genauer drauf: »Rotraut Mahiya Ludovika Niemeyer. Hat sie sich von Angelina Jolie adoptieren lassen oder was, wie kommt man nur an so bekloppte Namen?«
    »Mahiya ist Hindu.«
    »Ludovika nicht?«
    »Das war die Mutter von Sissi.«
    »Oh. Ich guck die falschen Filme.«
    »Was ist denn mit Frau Niemeyer?«, frage ich.
    »Der hast du zu verdanken, dass du einsitzt. Deine königlich bayrische Hindupriesterin hat leider gesehen, dass Tom abends noch nach Hause gekommen ist. Sie hat auch den Schuss gehört und gesehen, dass ich … also, dass eine andere Frau da war, und sie hat ausgesagt, dass wir beide dann zusammen weggefahren sind.«
    Autsch! Auf deutsche Rentner ist Verlass, das muss man ihnen lassen, auch wenn sie nackt durch den Garten rennen und kiffen. Egal, ob Mord, Totschlag oder Falschparken, sie schreiben alles auf, damit sie vorbereitet sind, falls eines fernen Tages mal die Polizei kommt und fragt.
    Maryam fährt in der Akte fort: »Die Tussi hat euer gesamtes Eheleben protokolliert. Na ja, was es da noch zu protokollieren gab:
Distanziertes Verhältnis der Eheleute … besonders ist mir die Veränderung der Persönlichkeit aufgefallen … kaum noch Geräusche aus dem Schlafzimmer …
Hat die ein Richtmikro aufgestellt?
… immer wieder morgens Schmerzensschreie …«
    »Aber doch nur, weil Tom sich die Finger an der Espressomaschine verbrannt hat.«
    »Jeden Morgen? Warum habt ihr euch keine neue gekauft? Ist nur ein Detail, liest sich aber im Gesamtzusammenhang ganz schlecht«, Maryam kämpft sich mühsam durch den Papierberg, sie sortiert die Blätter und zählt sie: »Drei Seiten allein über diesen Autounfall. Hast du mir nie erzählt!«
    »’tschuldigung. Ist irgendwie untergegangen. Das … das war die Zeit mit Björn.«
    »Ach ja, Björn. Lebt
der
noch, oder liegt er in seiner Wohnung und verwest langsam?«, stichelt sie. »So, jetzt kommt’s. Ich les dir mal vor, was sie so alles bei der Hausdurchsuchung gefunden haben: Norglucon, eine Handfeuerwaffe, Blutspritzer im Schlafzimmer, eine leere Patronenhülse, Kaliber nicht identisch mit der gefundenen Handfeuerwaffe, ein Fachbuch über Autobremsen und, jetzt kommt der Hammer, die Visitenkarte von Valentin Dokic. Wie in Gottes Namen kommst du an eine Visitenkarte von Valentin Dokic?«
    »Kenn ich nicht. Wer ist das?«
    »Sag du’s mir«, blafft Maryam, »du hast seine Visitenkarte, Nicole!«
    Mir dämmert’s. Mein Kontakt aus der Frankfurter Unterwelt, die Karte mit seiner Telefonnummer steckte noch in meiner Jackentasche.
    »Ah, den habe ich zufällig mal getroffen, eigentlich kenne ich ihn gar nicht. Ist der so schlimm?«
    »Stell dir Mutter Teresa vor …«
    »Mutter Teresa?«
    »Hilfsbereit, fürsorglich, gütig, selbstlos …«
    »Aber das ist doch wunderbar!«, rufe ich erleichtert.
    »Von alldem ist er das genaue Gegenteil!«
    »Oh.«
    Maryam klappt die Akte zu, zum allerersten Mal erlebe ich sie ratlos.
    »Wer bist du: Jack the Rippers kleine Schwester? Mit wem hast du sonst noch so Kontakt? Mit Baader, mit Meinhof, mit den chinesischen Triaden oder den Taliban? Ich kenn dich nicht, das ist nicht die Nicole, mit der ich donnerstagabends nach dem Shoppen einen Latte macchiato im
Dante
trinke.«
    Ja, die Dinge haben sich verändert seit damals, und ich überlege, woran das liegen könnte. Wie hat das alles angefangen?
    »Maryam, soll ich ehrlich sein?«
    »Ich bin deine Anwältin. Wie soll ich dich sonst verteidigen?«
    »Wenn man’s genau nimmt, habe ich nur gemacht, was du gesagt hast.«
    »Ich? Ich hab das zu verantworten? Hab ich etwa abgedrückt? Wenn dein Arsch zu fett wird, ist dann das Kochbuch schuld?«
    O je, sie ist beleidigt, das wollte ich nicht. Ich hab doch nur versucht, eine Erklärung zu finden, warum wir uns plötzlich hier im Frauenknast gegenübersitzen. Ich versteh selbst noch nicht so richtig, wie es so weit kommen konnte.
    »Maryam, ich –«
    »Es wäre gut, wenn du morgen beim Haftprüfungstermin das Reden mir überlässt«, erklärt sie.
    »Was ist das?«, frage ich.
    »Ein Haftprüfungstermin? Da prüft der Richter, ob die Beweislage ausreicht, um dich weiter in U-Haft zu behalten.«
    »Und?«
    »Unsere Chancen stehen gut. Das Schöne ist: Es gibt keine Tatwaffe und auch keine Leiche. Das Problem ist allerdings der Staatsanwalt.«
    »Wieso?«
    »Das ist ein harter Hund,
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