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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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    Mein Sternzeichen ist Wühlmaus, Aszendent Maulwurf. Erst habe ich unterm Küchenfenster ein neues Beet angelegt und Begonien gepflanzt, später dann den Rasenrand zurechtgestutzt und Unkraut gejätet. Jetzt relaxe ich auf der Terrasse, von wo aus ich zufrieden mein Tagwerk überblicken kann. Ich lese und kraule dabei MacLeod den Nacken, der an meiner Seite seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht: die Pitchpine-Dielen der Terrasse vollsabbern.
    Mein Leben ist, wie es ist, perfekt, außer dass ich gleich, um von der Sonne nicht zu sehr geblendet zu werden, meine Liege wohl oder übel ein kleines Stück weiter nach rechts schieben muss. Aber dazu müsste ich aufstehen. Stattdessen werfe ich für den Hochleistungsspeichler einen Ball in den Garten, der Labrador schaut zu mir hoch, schaut dem Ball nach, schaut wieder mich an, dann legt er den Kopf zwischen die Pfoten und schließt dösig die Augen. Wir sollten ihn als Einrichtungsgegenstand deklarieren, dann müssen wir wenigstens keine Hundesteuer mehr zahlen. MacLeod ist der faulste Hund der Welt, seine ganze Energie konzentriert er aufs Sabbern. Maryam unterstellt ihm, er sei der einzige Rüde, der beim Sex unten liegen will – weil’s bequemer ist.
    Die Strahlen der Sonne brechen seitlich durchs Laubdach, ich müsste jetzt tatsächlich die Liege verrücken, wenn ich weiterlesen will. Doch die Story des Krimis zieht sich: Auf Seite 76 hat Commissario Pallentini zwar schon seine neue Assistentin und eine Zeugin vernascht, aber noch keinen blassen Schimmer, wer der Mörder sein könnte. Ich klappe enttäuscht das Buch zu und überlege, wann Tom wohl heimkommt. Wir könnten einen Tisch im Gartenrestaurant reservieren oder zu einem netten Weinlokal im Rheingau rausfahren. Etwas Schönes unternehmen. Er hat sich mit seinem Kumpel Johannes in der Scheunengarage verabredet, um an den Oldtimern herumzuschrauben. Hoffentlich vergreift er sich nicht wieder am Getriebe, das kann erfahrungsgemäß dauern.
    Vor zwei Jahren sind wir in diesen Vorort gezogen, nach Hellersheim, raus aus dem Mief der Stadt, rauf auf den Berg, und mit dem Haus haben wir richtig Glück gehabt: Es ist ruhig, die Nachbarn sind nett oder zumindest auf eine sehr friedliche Weise wahnsinnig. Von Niemeyers nebenan wummern wieder dezent The Grateful Dead herüber (wir haben Stunden bei Youtube suchen müssen, um die komische Musik zu identifizieren), die beiden Senior-Sannyasins sind die Generation null der Hippiebewegung, Veteranen der Flower Power, sie könnten als Beweis dienen, dass Kiffen das Leben verlängert. Tom sagt immer, die sind so alt, in den Sechzigern sind sie nur nach Woodstock gefahren, um ihre Tochter abzuholen. Gelegentlich hüpfen sie sogar noch nackt durch den Garten. Quietschfidel sind die beiden – und dazu sehr freundlich. Aber sobald ihre Cannabispflanzung in unseren Garten ausstreut, verklage ich sie.
    Hellersheim ist die perfekte Vorstadtidylle, mit dem Auto kaum mehr als zehn Minuten von der Innenstadt entfernt. Noch perfekter wäre es allerdings, wenn Tom jetzt verdammt nochmal nach Hause käme oder zumindest anriefe. Der Apfel, den ich mir aus der Küche geholt habe, hilft nicht wirklich gegen den Hunger. Es ist tote Hose hier draußen. MacLeod hat das Sabbern eingestellt, irgendwo entfernt haben vorhin noch spielende Kinder krakeelt, aber die kriegen jetzt bestimmt ihr Abendessen, und dann geht’s ins Bett.
    A propos Bett: Ich hätte nicht schlecht Lust, später am Abend mal wieder die Familienplanung in Angriff zu nehmen. Aber dafür müsste mein Herr Göttergatte allmählich mal nach Hause kommen! Gleich ist es zu spät, um noch was zu unternehmen, ich habe aber auch keinen Bock, ihm schon wieder hinterherzutelefonieren. Mir graut davor, wieder allein hocken zu bleiben, und das an so einem traumhaften Frühsommerabend. Ich merke, wie der Ärger in mir hochsteigt.
    Das Horoskop sagt, Wühlmäuse mit Aszendent Maulwurf fühlen sich heute einsam und verloren.

3
    »Hat er eine andere?«
    »Tom? Nie.«
    »Das sagen sie alle, Nicole.«
    »O – mein – Gott. Für die würde ich töten!« Ich packe Maryam am Arm, sie schaut mich irritiert an. Der Themenwechsel kommt für sie zu plötzlich.
    Nein, nichts Kriminelles, wir sind nur auf unserer Donnerstagabendafterworkfreundinnenshoppingtour vor dem Schaufenster von
Calzadonna
angekommen, der ortsansässigen Apotheke für italienische Lederpreziosen. Schöne Schuhe sind wie Medikamente: Man bezahlt für sie viel Geld, fühlt
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