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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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unser Haus bis in den letzten Winkel; die drehen tatsächlich jedes Staubkorn einzeln um, als Putzkolonne wären sie ein Segen. Sie finden alles, aus dem Innenfutter einer meiner Handtaschen graben sie sogar die Swatch hervor, die ich seit einem halben Jahr vermisse.
    Ich hatte sie gebeten, in einer halben Stunde wiederzukommen, damit ich duschen und mich anziehen könne. War ein Versuch, dann hätte ich auch noch Zeit gehabt, im Schlafzimmer nach der Patronenhülse zu suchen, verdammte Hacke! Aber sie sind gleich mit dem ganzen Trupp ins Haus rein, ich durfte nichts mehr anfassen und nur noch schnell eine Hose überziehen. In Begleitung. Dann musste ich im Wohnzimmer Platz nehmen und warten; nicht mal die Zähne durfte ich putzen, denn sie sind auch im Bad. Nur das Recht, meine Anwältin anzurufen, das hatte ich.
    Gelegentlich kommt die Einsatzleiterin zu mir und stellt Fragen: »Ist jemand in Ihrer Familie Diabetespatient?« »Welche Personen waren in den vergangenen Tagen bei Ihnen zu Besuch?« »Haben Sie für die Pistole, die wir im Nachttisch gefunden haben, einen Waffenschein?« Ihre Mitarbeiter tragen an spitzen Fingern kleine Plastiksäckchen durch die Gegend, und die, die unser Schlafzimmer untersuchen, haben sogar weiße Schutzoveralls angezogen.
    Schließlich haben sie sich freundlich verabschiedet und sind gegangen. Das war’s. Endlich ist das Bad wieder frei.

53
    Ich habe mich gerade wieder hingelegt, um wenigstens ne Mütze Schlaf abzubekommen, schon klingelt es das nächste Mal. Schlafentzug wird von Menschenrechtsorganisationen als Foltermethode anerkannt, ob ich mich deshalb an Amnesty International wenden sollte? Erneut steht die freundliche Kripo-Beamtin vor der Tür, erneut hält sie mir ein Formular unter die Nase, sie erklärt mir meine Rechte und bittet mich mitzukommen; ich sei dringend verdächtig, meinen Mann getötet zu haben.
    In einer grünen Minna werde ich zum Gefängnis gefahren; es ist tatsächlich so, dass man am Eingang alle persönlichen Dinge abgeben muss, und für die Zeit der Untersuchungshaft bekommt man eine Art begehbaren Kleiderschrank zugewiesen. Der Haken an der Sache ist, dass man darin wohnt, und das zu dritt. Meine Zellengenossinnen stellen sich förmlich mit Namen und Verbrechen vor:
    »Peggy: Ich habe Geld unterschlagen.«
    »Ellen: Hab meine eigene Kneipe abgefackelt.«
    Peggy ist der Typ verhärmtes Mauerblümchen; so unscheinbar, dass ich sie sogar in der acht Quadratmeter kleinen Zelle fast übersehen hätte. Ellen ist das genaue Gegenteil, eine echte Rockerbraut, einen halben Kopf größer als ich, aber dreimal so breit und von oben bis unten mit Tattoos übersät. In einem Spielfilm würde sie als Türsteher besetzt. Sie kann man nicht übersehen.
    »Und weshalb biste hier?«, will Ellen wissen.
    »Nicole: Ich soll meinen Mann umgebracht haben.«
    »Nein, echt?« Mit einem Mal glänzen Ellens Augen vor Bewunderung. »Wie hast’n des gemacht?« Ich gebe mich so ahnungslos wie möglich, schulterzuckend antworte ich: »Ist seit gestern verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Weiß auch nicht, wo er ist, es gibt nicht mal eine Leiche.«
    »Keine Leiche? Verstehe.«
    Die Rockerbraut pfeift anerkennend durch die Zähne, dann rammt sie Peggy, die neben ihr steht, den Ellbogen in die Rippen, so dass die fast umfällt. »Guck sie dir an: Hübsch mal die alte Nervbacke entsorgt. Der perfekte Mord. Granate!« Sie hält mir ihre tätowierte Pranke hin: »Willkommen. Ich bin die Nelly! Schwester, wenn du hier irgendein scheiß Problem hast, frag mich. Ich regel das.«
    Schwester Nelly zieht mich an sich, sie umarmt mich und presst mein Gesicht zwischen ihre gigantischen, weichen Brüste, ich habe Angst zu ersticken. Bedeutet wohl so viel wie: Ich bin in die Knastgemeinschaft aufgenommen.

54
    Endlich ein Lebenszeichen von draußen! Das Kläppchen in der Zellentür öffnet sich, und meine neue Beschützerin schiebt ihre zwei Zentner zur Tür, um die Verhandlungen zu übernehmen.
    »Was wollt ihr von Schwester Nicky?«, will Bruder Nelly wissen. Sie wechselt mit der Schließerin draußen ein paar Worte, dann gibt sie mir Bescheid: »Besuch für dich. Deine Anwältin.«
    Das Wachpersonal führt mich in einen kargen Raum, Maryam wartet bereits, sie sitzt am Tisch und hat meine Akte vor sich.
    »Wer ist Rotraut Niemeyer?«, fragt sie. »Woher kennt die dich so gut?«
    »Die Niemeyers sind das Kifferpärchen bei uns nebenan.«
    »Das sind Drogis? Die Frau ist fast
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