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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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sich danach aber gleich viel besser. Und das fast ohne Nebenwirkungen. Mein Objekt der Begierde ist ein Paar rehbrauner Stiefeletten. Nicht der Hauch eines Makels verunziert das Oberleder, das so weich, zart und unschuldig wirkt wie ein neugeborenes Bambi. Kann ich widerstehen?
    »Könntest du mich loslassen?«, bittet Maryam, »mein Arm stirbt ab.«
    »Entschuldige.«
    Eine halbe Stunde später sitzen wir im
Dante
, unserem Lieblingscafé, und besiegeln den Kauf mit heißem Kakao und Prosecco. In der Zwischenzeit sind wir in die Boutique gestürmt, ich habe die Bambis anprobiert und entzückt geseufzt, Maryam hat mir versichert, dass die Schuhe a) toll aussähen, b) bestimmt superbequem seien, ich sie c) bestimmt auch zu festlichen Anlässen tragen könne, sie d) sowieso überhaupt nur mir stünden, e) der Preis absolut angemessen und f) der Kauf insgesamt eine lohnende Investition sei. Etwa in dieser Reihenfolge. Wie immer habe ich schuldbewusst gefragt: »Brauch ich die wirklich?«, wie immer hat Maryam gedroht: »Sonst nehm ich sie!«, wie immer habe ich daraufhin stracks auf der überteuerten Hacke kehrtgemacht, um die Kreditkarte zu zücken – aber mit schlechtem Gewissen. Das übliche Ritual.
    »Ist dir schon mal aufgefallen, dass die meisten Standesbeamten ledig sind? Die wissen, warum.« Wir sind wieder beim Thema: meine Ehe, aus der irgendwie die Luft raus ist.
    Ich beschwichtige: »Ich kenn Tom. Da ist nichts.«
    »Und ich kenn die Männer.«
    »Maryam! Er muss nur viel arbeiten.«
    »Schatz, wenn ein Mann woanders wildert, dann wittere ich das zehn Meilen gegen den Wind. Und ›abends lange arbeiten‹ stinkt wie ein Rudel vergessener Dixiklos, Mensch!«
    Maryams Welt – das sind Seitensprünge, Trennungen, Rosenkriege. Gesegnet mit einem Dekolleté, so drall, dass in dessen ungeahnten Tiefen vermutlich Kohle zu Diamanten gepresst werden könnte, das aber doch so samtweich verführerisch daherkommt wie Cappuccino-Mascarpone, ist sie in ihrem Job eine Killervenus.
    Als Tochter eines syrischen Geschäftsmannes hat sie sich früh gegen die Dominanz der Männer wehren müssen, als Tochter einer syrischen Mutter hat sie gelernt, ihre üppigen Reize strategisch einzusetzen. Mit Erfolg. Bewusst raubt sie Männern das Denkvermögen bis zum Totalverlust, um so Frauen den Sprung in die Freiheit finanziell zu versüßen. Sie denkt schlecht von den Männern, sie kann nicht anders: Es ist ihre berufliche Bestimmung, überall Ehebruch und Verrat zu wittern.
    »Seine Überstunden sind schlank, blond und tragen rosa Dessous. Wetten?«
    »Er steht gar nicht so auf rosa Dessous«, kontere ich.
    »Das sagt er?«
    Maryam schaut mich an, als hätte ich angekündigt, am Dienstag für vier Wochen zum Strandurlaub nach Nowosibirsk zu fahren: entsetzt, traurig, mit einer Spur Mitleid. Hastig verkündet sie: »Ich muss noch Eyeliner kaufen.«
    Bitte? Maryam hat Eyeliner in ihrer Handtasche, mehrere, immer. Es liegt welcher bei ihr im Bad und auf dem Klo, ein paar dürften unter den Betten ihrer diversen abservierten Exlover verschollen sein, genug Eyeliner, um einen fetten Lidstrich rund um den gesamten Erdball zu ziehen. Und das heißt: Sie kneift. Sie flüchtet, um mir nicht irgendwas Peinliches sagen zu müssen.
    Ich sollte mir Gedanken machen. Stehen alle Männer auf rosa Dessous? Vermutlich.

4
    »The table is set, the oven is hot. Let’s start it, baby, we won’t ever stop.« Eine Zeile aus einem zu Recht vergessenen Achtziger-Jahre-Song, sie fällt mir ein, da ich grad in der Küche stehe.
    Meiner Ehe fehlt der Pfeffer? Bitte schön! Oben liegt das kleine Schwarze auf dem Bett bereit, ich muss nur noch hineinschlüpfen. Drunter gehe ich bereits als Himbeere, mit feinsten Spitzenapplikationen.
    Ich schiebe die Mousse au Chocolat in den Kühlschrank, danach ist die Mörbissuppe an der Reihe.
    Einmal – war es der dritte oder der vierte Hochzeitstag? – hatte ich den Finger in die Tomatensuppe gesteckt, ihn abgelutscht und dabei Tom glücklich angelächelt – schon fand ich mich rücklings auf dem Esstisch wieder. Während Tom mir die Suppe vom Leib schleckte, verkohlte in der Küche das Hauptgericht. Der Pizzabote musste kommen. Als er klingelte, waren wir gerade beim dritten, nun ja, Gang. Dieser schüchterne Bengel stand plötzlich mitten im Wohnzimmer, ich konnte mir gerade noch eine Decke überwerfen. Meine Güte, war der verlegen!
    Die Mörbissuppe köchelt brav im Topf. Der Ofen ist heiß, lass uns starten,
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