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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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Baby. Es ist 18:56, und den Hochzeitstag hat er noch nie vergessen.
    19:28.
Immer noch nichts. Die Mörbissuppe ist fertig, eigentlich wäre jetzt die Entenbrust dran. Ich sprinte schon mal die Treppe hoch und springe in den scharfen Fummel. Vorm Spiegel checke ich, ob er sitzt: Taille, Brust, der Pfirsichhintern; klassische Sanduhr, würde ich sagen, nur hier und da ein Pölsterchen zu viel, Größe 38 passt mir immer noch. Für Mitte dreißig ganz okay, rede ich mir ein.
    »Dich würde ich nicht warten lassen«, murmel ich. O Gott, ich mache mir schon selbst Komplimente.
    20:01.
Hunger! Her mit dem Löffel. Mörbissuppe schmeckt auch direkt aus dem Topf.
    20:33.
Mal in den Kühlschrank schauen, was die Mousse au Chocolat so macht (nichts natürlich). Ja, ich kann widerstehen. Noch.
    20:47.
Stattdessen köpfe ich eine Flasche Wein und vernichte weitgehend die Suppe.
    21:12.
Scheiß drauf. Auf dem Weg zum Kühlschrank genehmige ich mir einen großen Schluck aus der Pulle.
    21:14.
Tom ist ein Arsch.
    21:17.
Könnte ein bisschen fluffiger sein, die Mousse au Chocolat. Trotzdem lecker. Aber nur ein kleines Löffelchen.
    21:19.
Ein Riesenarsch sogar!
    21:21.
Mmh! Schweinelecker!
    21:34.
Maryam anrufen. Ich quatsche ihr auf die Mailbox: »Das war mein letzter Hochzeitstag. Versprochen!« Boah, ist das Kleid eng, gefühlt mindestens fünfter Monat. Ich bin fett, gefräßig und allein, so sieht’s aus. Und die Mousse ist auch fast alle.
    Man soll Weingläser nicht so vollgießen, das wirkt peinlich, aber halbleer ist auch langweilig. Als ich mit der zweiten Flasche Wein aus der Küche komme, bin ich durchtränkt von einem sehr hilfreichen Fatalismus. Hoppsala, auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer springt mir plötzlich der Kühlschrank vor die Füße, und die Küchentür ist auch enger als sonst. Keine Ahnung, wie spät es ist, die Wanduhr lässt sich so verdammt schwer ablesen.
    »Entschuldige, Schatz!«, flötet es hinter mir.
    Es gelingt mir, eine halbe Pirouette hinzulegen, huiuiui. Und da steht tatsächlich, tata! – mein Göttergatte! Wann ist der denn nach Hause gekommen? Vom Wein kriegt der aber nix.
    Der Blumenstrauß in seiner Hand ist in einem etwa so ramponiertem Zustand wie unsere Ehe: »Herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag.« Küssen will er mich auch noch, pflichtgemäß, er schmeckt nach Zahnpasta und, das haut mich jetzt echt um, er riecht anders! Präziser: Nach
einer anderen
.
    Ich reiße ihm das peinliche Gestrüpp aus der Hand und schaffe es sogar noch, so was wie Rührung zu heucheln: »Oh, toll. So was gibt’s an der Tankstelle?«
    »Geht … geht’s dir gut?«
    Ah, er spielt den Besorgten. Bewährte Masche der Männer, wenn man sie bei irgendwas ertappt. »Blendend.« Erstens stimmt es, zweitens würde ich das Gegenteil nie zugeben, drittens muss ich mir unbedingt merken, welchem Wein ich dieses geniale Scheißegal-Gefühl zu verdanken habe, hoch die Tassen!
    »Ah. Mousse au Chocolat.« Mit dem Finger wischt dieser arrogante Affe, mit dem ich an einem unglückseligen Tag vor sieben Jahren den Bund fürs Leben eingegangen bin, etwas von den kümmerlichen Überresten des Desserts aus der Schale und probiert sie. »Könnte ein bisschen fluffiger sein.«
    Ich ziele noch verdammt gut. Nur knapp verfehlt das Glas Toms Kopf und zerschellt hinter ihm an der Wand. Schade um den schönen Wein.

5
    »Mörbissuppe???«
    Oh, ist das laut. Ich muss das Handy vom Ohr nehmen. Von diesem fürchterlichen Fusel werde ich nie wieder einen Tropfen anrühren, das schwöre ich bei den Trümmern meiner Ehe. Ich bin gleich unten geblieben, meinen Kater kuriere ich auf dem Sofa aus, hier habe ich auch die Nacht verbracht. Dass Tom gegangen ist, habe ich nicht mal gehört.
    »Möhren-Kürbis-Suppe. Die heißt bei uns so.«
    »Sag mir: Warum um Himmels willen sprechen alle Paare irgendwann miteinander wie Kindergartenkinder?«
    »Wie? Im Kindergarten sagen sie ›Fick mich, du Sau!‹?«
    »…! …! …! Wie bist du denn drauf?«
    »Meine Ehe ist hin, ich hab ’nen Schädel, einen Riesenrotweinfleck an der Wand und eine Fahne, vor der sich sogar MacLeod ekelt. Noch Fragen?«
    »Vielleicht ist das alles nur ein Missverständnis.«
    Ach ja, jetzt plötzlich? Wer ist denn auf die Idee gekommen, dass Tom mich betrügt? Warum kann Maryam nie mit mir einer Meinung sein? Das ist anstrengend, vor allem in meinem angegriffenen Zustand.
    »Herzchen. Dieses Missverständnis bläst ihm so die Nüsse frei, dass er bei mir
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