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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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dreitägige, in wohl jeglicher Hinsicht sehr intensive Locationbesichtigung, zu der sie den Chef nach Budapest begleitet hatte (in eine Junior Suite, natürlich), nicht in einer Festanstellung gemündet war.
    Johannes macht einen Schritt zur Seite, und so kann ich mir das Mäuschen näher anschauen: Aha, Typ aufgepäppeltes Exmodel, schlank, aber mit was auf den Rippen. Mitte zwanzig vielleicht, einen Tick größer als ich, also etwa eins achtzig, mit perfektem Schmollmund, unfassbar langen Beinen und dieser seidig sonnengeküssten Haut auf den Schenkeln, wie man sie sonst nur aufwendig mit Bildbearbeitungsprogrammen hinbekommt. Hatte sie den Rock auch beim Vorstellungsgespräch an? Dann scheint beim Chef libidomäßig noch alles im Lot zu sein. Aber ich will nicht unfair sein, nur weil’s mir grad dreckig geht. So eine kann man gut zum Kunden mitnehmen, wenn Etatverhandlungen ins Stocken geraten, gerade in männlich dominierten Branchen wird dann schon mal weniger kritisch auf die Zahlen geschaut.
    »Nicole, das ist Frau Mahlkorn«, stellt Johannes sie vor.
    Brav steht sie auf und stöckelt auf mich zu. Meine Güte, den Push-up hätte sie doch gar nicht nötig bei diesen Riesentitten.
    »Hallo«, flötet sie kokett, »ich bin die Yvonne.«

11
    Niemand, der mich stört, niemand, der mich sieht. Ich musste dringend allein sein. Das letzte Mal, als ich mich so gedemütigt und verletzt fühlte, trug ich noch Zahnspange.
    Ist das nur ein Zufall? Oh, bitte bitte! Yvonnes gibt’s doch wohl mehrere. Wenn
das
Yvonne ist, also wenn das
die
Yvonne ist …
    Bin ich nur noch das Auslaufmodell? Läuft Ende des Monats mein TÜV ab, ich werde verschrottet, und diese allzeit bereite Bettwanze übernimmt mein Haus, meinen Job, meinen Mann und überhaupt meinen Platz im Leben?
    Hat Tom sie in Johannes’ Agentur geparkt, weil sie gut fickt und er dem Mäuschen sonst nichts zutraut? Aber weshalb arbeite ich dann bei
zwonullzwo?
War ich auch bloß so ein dummer Betthase, der versorgt werden musste, nur zwölf Jahre früher?
    Es muss etwas geschehen. Dringend. Und vor allem: Nach einer guten Stunde sollte ich endlich mal das Frauenklo räumen.

12
    »Bist du die Yvonne, die sich von meinem Ehemann durchbürsten lässt?« Nee, das frage ich besser nicht. Dass ich bereits den siebten Becher Kaffee in mich hineinkippe, beruhigt weder meine Nerven noch meine Nieren, und so tigere ich hin und her zwischen Schreibtisch und der Toilette, wo mich ein Blick in den Spiegel jedes Mal an meinen zerrütteten Zustand erinnert.
    Aber irgendwann endet auch so ein Arbeitstag. Für die Markteinführung des Mineralwassers habe ich eines der durchgeknalltesten Konzepte meiner Karriere in die Tasten gehämmert – oder hat schon mal jemand
Holiday on Ice
unter Tage in einem Salzbergwerk aufgeführt? Keine Ahnung, wie wir in zweihundert Meter Tiefe eine Eislauffläche aufbauen sollen, aber dem Kunden wird’s gefallen, und in der Kalkulation wird das Projekt dann sowieso zu einem Ausflug zur nächstgelegenen Eislaufhalle zusammengestrichen werden. So läuft das Geschäft.
    Aus Johannes’ Büro dringt Yvonnes überdrehtes Lachen an mein Ohr. Und schon steht sie in meinem Büro, um sich »fürs Erste« zu verabschieden, und ich träume davon, sie in dem Salzstock einzufrieren und endzulagern. Sofort nachdem sie gegangen ist, schnappe ich mir meine Handtasche, ziehe meine Jacke über und stürme aus dem Büro.
    Minuten später verfolge ich einen klapprigen grünen Kleinwagen durch den Feierabendverkehr, zu erkennen an einem Sylt-Aufkleber auf der Heckklappe, der angenagter ist als die Insel selbst. Mein Verstand sagt mir, dass das, was ich hier tue, nicht richtig ist: Ich schnüffle, wie billig! Und falls ich das zu sehen bekommen sollte, was ich befürchte, wird es mir garantiert das Herz zerreißen. Aber ich kann nicht anders. Die Reise führt in eine Vorortsiedlung mit einfachen Mehrfamilienhäusern, Yvonne stellt ihren Wagen vor einem Wohnblock mit Einzimmer-Apartments ab. In so einer Gegend habe ich eine Zeitlang auch mal gewohnt, während des Studiums. Ich parke um die Ecke, schlendere möglichst unauffällig in die Wohnanlage gegenüber und postiere mich an einer Hausecke halb verdeckt hinter einem Busch. Mal schauen, welches ihre Wohnung ist. Ich suche die Fenster des Apartmentblocks so lange vergeblich ab, bis im dritten Stock Yvonne ein Fenster öffnet, um durchzulüften.
    Aber wo bin ich hier nur gelandet? Ich schaue hoch – und sehe, wie
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