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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Autoren: Kriss Rudolph
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1 : Casting
    »Noch können wir weglaufen, es ist nicht zu spät«, flehte Niklas und blieb zögerlich auf der letzten Stufe stehen.
    Oliver, der vorgegangen war, legte ungerührt den Finger auf den Klingelknopf und drückte. »Das ist das letzte Paar, Nikki. Sei lieb!«
    Niklas, der direkt von der Arbeit kam, löste mit einem geschickten Handgriff den Knoten seiner Krawatte, um sie in der Tasche seines Jacketts verschwinden zu lassen.
    »Am besten, du überlässt das Reden ganz mir«, sagte Oliver.
    Seufzend schloss Niklas zu seinem Freund auf. »Bitte sehr.«
    Gespannt standen sie an jenem Januarabend im mäßig beleuchteten Flur einer Mietskaserne im Düsseldorfer Süden und warteten, dass man ihnen die Tür öffnete. Sie kannten die Frauen nur vom Telefon und hatten in einem ersten Gespräch den Eindruck gewonnen: Dieses Mal könnte es klappen.
    »Wie sehe ich aus?« Oliver rückte seine gelbe Baseballkappe zurecht.
    »Wie ein kleiner Junge vor seinem ersten Date.«
    Niklas zog ihn an sich und küsste zärtlich seine knubbelige Nase. Da öffnete sich die Tür. Vor ihnen stand eine Frau in Jeans und einem schlichten hellblauen Männershirt. Das glanzlose strohgleiche Haar trug sie sportlich kurz geschnitten, und ihr Teint verlangte dringend etwas Farbe. Groß und drahtig war sie, schmal genug, um sich hinter einem Laternenpfahl umziehen zu können – selbst Niklas hatte ein breiteres Becken als sie. Die Mutter seiner Kinder hatte er sich ganz anders vorgestellt.
    »Seid ihr meine Väter?«, sagte die Frau mit einem Schmunzeln.
    »Wenn du unsere Mutter bist«, entgegnete Oliver.
    Sie reichte ihnen die Hand. »Ich bin Kordula. Schön, dass ihr da seid.«
    Ihre Gastgeberin trat einen Schritt zurück, und Oliver zog seinen Freund in die Wohnung. Niklas sah sich um: Der Flur war in Hellgelb gestrichen oder vielmehr: gewischt, mit einem Schwamm. Er hatte nie verstanden, wie Menschen, die Farbe in ihr Leben bringen wollten, bei unentschlossenen Tönen wie Blasslila oder Himmelblau landeten. Aber noch schlimmer fand er die Wischtechnik. Solche Wände mochten in billige Pizzerien passen, wo man im Stehen aß und zwei fuffzich zahlte. Fehlten nur noch Tassen mit aufgedruckten Katzengesichtern.
    »Ist schlechter Geschmack eigentlich erblich?«, flüsterte Niklas hinter vorgehaltener Hand. Oliver boxte ihn warnend in den Bauch und zerrte ihn weiter.
    In der überheizten Küche trafen sie auf Andi. Kordulas Freundin saß am Tisch und war damit beschäftigt, eine Holzlokomotive zu leimen, deren Schornstein abgebrochen war. Sie nickte den Gästen aus einem grauen Jogginganzug zu. Vorne waren ihre Haare gestutzt, wie bei Kordula; hinten jedoch, im Nacken, wuchsen sie, und damit das niemandem entging, hatte sie ein paar der längeren Strähnen rot eingefärbt.
    Kordula setzte Wasser auf und erkundigte sich nach den Getränkewünschen der Männer. Oliver wollte Kakao trinken, musste aber mangels Angebot auf Tee ausweichen, während Niklas mit einem Kopfschütteln signalisierte, dass er ganz verzichtete: Er wollte sich an sein Schweigegelübde halten. Außerdem war er schon jetzt von den Frauen enttäuscht, obwohl er nicht mal allzu viel von dem Treffen erwartet hatte.
    »Und, wie viele Frauen habt ihr schon getroffen?«, fragte Kordula und nahm zwei Becher aus dem Schrank. Katzenfrei, wie Niklas erstaunt feststellte.
    Oliver sagte den Spruch, mit dem er am letzten Wochenende bereits Angelika und Urte glücklich gemacht hatte: »Ihr seid die Ersten.«
    Kordula goss kochendes Wasser über ein Teesieb mit wildem Kraut. Einen Becher behielt sie für sich, den anderen servierte sie Oliver, der neugierig daran roch und die Nase verzog.
    Von nebenan ertönte Babygeschrei. Andi erhob sich, und es klang mehr nach einem Befehl denn nach einer Bitte, als sie Niklas aufforderte, den Daumen fest auf den geleimten Schornstein zu pressen. Dann verließ sie den Raum.
    »Ihr habt also schon ein Kind!« Oliver setzte sich zu Niklas an den Tisch und rührte unentschlossen in seinem Getränk.
    »Es ist Andis Tochter«, erklärte Kordula. »Martha ist vierzehn Monate alt. Ein gutes Alter, um ein Geschwisterchen hinterherzuschicken.«
    Oliver erkundigte sich nach Zucker, und Kordula holte ein Glas Honig aus dem Schrank.
    »Was ist denn mit Marthas Vater?« Niklas witterte plötzlich eine Chance, schnell und unkompliziert aus der Nummer herauszukommen, und vergaß darüber sein Gelübde.
    »Ist im Herbst nach Griechenland gezogen, zu seinem neuen Lover.
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