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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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jemand auf dem Balkon drei Stockwerke über mir seinen Aschenbecher auskippt, einfach so, ohne hinzugucken, ich bekomme den ganzen Dreck direkt ins Gesicht, er setzt sich in den Haaren, dem Mund, der Nase, den Ohren fest. Was ist das da oben für eine Umweltsau, die gehört doch wohl mal ordentlich zur Minna gemacht! Geht aber nicht, wenn ich nicht auffallen will.
    Ist das ekelhaft! Jetzt hab ich diesen fiesen Kippengeschmack im Mund und rieche wie ein ganzes Raucherabteil. Ich versuche, so gut wie möglich die Asche aus meinen Haaren zu fegen, gleich danach krame ich in meiner Handtasche nach Bonbons.
    Eine Handvoll Tic Tacs mit Orangengeschmack später kommt – Tom und mit ihm der Hieb in meine Magengrube. Es ist
kein
Zufall. Sie ist
die
Yvonne.
    Mein Mann klingelt und schaut sich unsicher um, ehe der Türsummer ertönt. Während er die Treppe hochgeht, taucht in den kleinen Flurfenstern der Halbetagen jedes Mal wieder sein Kopf auf, so sehe ich, dass er in den ersten Stock geht, in den zweiten, in den dritten. Ich muss mich an die Hauswand lehnen, an der ich stehe, die Tränen beginnen zu laufen, es ist ein Schmerz, als hätte ich glühende Kohlen verschluckt.
    In ihrer Wohnung schließt Yvonne das Fenster, eilig zieht sie die Vorhänge zu, ich bleibe allein hier unten zurück; und doch ist es so, als müsste ich ihnen bei dem, was sie jetzt tun, zuschauen, ich kenne jede seiner Bewegungen, wie er sie küsst, seine Hand durch ihr Haar fährt, wie er vor ihr niederkniet und ihr langsam den Rock herunterzieht …
    Ich muss hier weg, ganz schnell.
    Bis zur dritten Kreuzung habe ich es geschafft, immerhin, dann bin ich vor Tränen blind an der Ampel losgefahren, weil hinter mir schon die ganze Zeit alle wild hupten, doch es war wohl schon wieder Rot, keine Ahnung, ein Auto ist von rechts direkt vor mir vorbeigeschossen, die von links haben knapp noch bremsen können. Jetzt stehe ich mitten auf der Kreuzung und blockiere den Feierabendverkehr, es geht weder vor noch zurück, alles steht. Wahrscheinlich werde ich gleich in den Verkehrsnachrichten namentlich erwähnt: Nicole Krafft in einem dunkelblauen VW Golf versperrt auf dem Innenstadtring die Fahrbahn und stinkt wie ein Aschenbecher.
    Dieser schwanzgesteuerte Mistkerl! Wir hatten uns ewige Treue geschworen, schon vergessen? Wieso hab ich dummes Huhn nicht früher was gemerkt? Warum bin ich dann auch noch so blöd, den beiden nachzuschnüffeln? Wozu gibt’s Privatdetektive? Oder falsche Freundinnen aus dem Tennisverein, denen es ein Genuss ist, ahnungslosen Ehefrauen wie mir solche Affären brühwarm unter die Nase zu reiben? Das Problem ist, wir sind in keinem Tennisverein.
    Wir wollten Kinder!
    Wenn man nur noch weinend und schreiend auf das Lenkrad seines Autos einhämmert, ist es Zeit zu handeln.

13
    »Kino 3 bitte.«
    »Einmal?«
    »Ja, einmal.«
     
    EINSAM .
     
    Jemand hat mir das Wort auf die Stirn gebrannt. So ist es also, allein ins Kino zu gehen. Man fühlt sich beobachtet. Und wenn man denkt, was die anderen denken könnten, nämlich dass man sich schlecht fühlt, ist das deprimierend: Vertrocknete Kulturzicke? Hat wohl keinen abgekriegt? Jetzt kommen sie sogar zum Sterben hierhin?
    Erst mal Bier und Popcorn kaufen. Danach geht es mir gleich viel besser. Hey, bin ich mutig? Das ist die neue Leichtigkeit, free and easy, ich bin völlig ungebunden, zum allerersten Mal in meinem Leben. Gutes Gefühl, ich bin stolz auf mich. Vielleicht sollte ich den Film doch zu Ende schauen.
    Und der Saal ist bereits dunkel, gutes Timing. Ich setze mich. Das Bier hilft mir über die grausige Werbung hinweg, danach kommt der unvermeidliche Eisverkäufer, endlich. Der hier ist der Typ ewiger Soziologiestudent, wahrscheinlich kann er jeden französischen Problemfilm der letzten fünfzig Jahre auswendig mitsprechen – im Original und mit Untertiteln –, hat aber noch nie eine Frau angefasst. Ideal.
    Sind alle anderen versorgt? Ich winke ihn herbei, und als er näher kommt, wirkt er überraschend cool. Gute Silhouette, das sieht man, sie zeichnet sich vor der weißen Leinwand ab, definiert, aber kein Muskelprotz, vermutlich hat er was in der Birne. Smartes Bürschchen, womöglich weiß er doch was mit Frauen anzufangen.
    »Ein Magnum, bitte«, sage ich.
    »Nur eins?«
    »Wieso, möchten Sie auch eins?«
    Lächelnd erwidert er: »Wenn Sie’s spendieren.« Also, wer so souverän reagiert, ist solche Anmachen gewohnt.
    »Ich fürchte, mein Kleingeld reicht nicht.« Ich
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