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Von dir verfuehrt

Von dir verfuehrt

Titel: Von dir verfuehrt
Autoren: Anya Omah
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Prolog
    L eise trommelten Regentropfen von draußen gegen die Fensterscheibe, während der Wind ums Haus sauste und heulend den Einbruch des Herbstes verkündete. Schnell schlüpfte ich unter die kuschelige Bettdecke und drückte sie fest gegen mein Gesicht. Ich sog ihren Duft so tief ein, als erstickte ich, wenn ich es nicht täte. Der vertraute Geruch von Stefan und mir umschmeichelte meine Nase und ergab eine Essenz, die ich am liebsten abfüllen wollte, um sie überall zu versprühen. Diesen Duft unserer Liebe.
    Stefan kam zu mir unter die Decke und kitzelte mich mit seinen Beinhaaren. Er schlang seine Arme um mich und tupfte federleichte Küsse auf meine Schläfe. „Ich liebe dich“, raunte er an meinem Ohr und ich spürte meinen polternden Herzschlag. Zum ersten Mal seit drei Jahren würden wir die Nacht zusammen verbringen. Seine Mutter würde nicht um 22:30 anklopfen und mich freundlich ins Gästezimmer bitten.
    Verli ebt blickte ich in die Augen des einen Menschen, der mir Liebe, Geborgenheit und die Familie schenkte, die ich nie hatte. Und bald würde ich auch auf dem Papier Teil dieser wundervollen Familie sein. Mit ausgestreckter Hand und abgespreizten Fingern bewunderte ich das schönste Versprechen, das mir je ein Mensch gegeben hatte.
    „Gefällt er dir?“, fragte mich Stefan, als ob er die Antwort nicht bereits kannte.
    Zärtlich strich ich mit dem Zeigefinger über den funkelnden , kleinen Stein des silbernen Rings, den er mir gestern vor seiner Familie an den Finger gesteckt hatte.
    „Er ist wunderschön“, schwärmte ich und schwor mir, ihn nie wieder abzulegen.
    „Genauso wie du“, flüsterte Stefan und blickte mir tief in die Augen.
    Ich kannte diesen Blick allzu gut und spürte, wie mein Unterleib sich genüsslich zusammenzog.
    D as Klingeln des Smartphones ließ Stefan genervt schnauben. „Zieh dich schon mal aus“, befahl er verheißungsvoll und nahm gereizt den Anruf entgegen. Es störte mich, dass er der Person am anderen Ende der Leitung mehr Aufmerksamkeit schenkte als mir. Also beschloss ich, ihn ein wenig aus dem Konzept zu bringen, indem ich mich rittlings auf ihn setzte. Stefan fixierte mich, konnte seinen Blick nicht abwenden. Aufreizend langsam öffnete ich die Knöpfe meines Nachthemds. Oh, wie ich seinen glühenden Blick liebte.
    Plötzlich löste blankes Ent setzen das Funkeln in seinen Augen ab. Ruckartig setzte er sich kerzengrade auf. Er war kreidebleich. „Bist du dir sicher?“, fragte er ins Telefon.
    Ein fahles Grau überzog sein vor Schreck verzerrtes Gesicht. Auch ich spürte, wie alles Blut aus meinem Kopf wich und sich ein kribbeliges Gefühl ausbreitete. Was zum Teufel war los? Ich stieg von ihm runter, sah ihn fragend an, doch er beachtete mich nicht. Verzweifelt versuchte ich, aus den Satzfetzen, die er von sich gab, das gesamte Gespräch zu rekonstruieren .
    „Schicks mir“ , forderte er und fuhr mit der Handfläche über sein Gesicht. Das tat er immer, wenn er ratlos oder etwas Schlimmes passiert war. „Okay, ich guck‘s mir an.“ Er legte auf und starrte fast apathisch auf sein Handy.
    „Was ist los ?“, fragte ich ungeduldig.
    Er antwortete nicht, hielt s ich nur die Hand vor den Mund.
    „St efan? Was ist passiert? Du machst mir Angst.“
    „Es kursiert ein Video.“
    „Was für ein Video?“
    Nun sah er mich an. Eine Mischung aus Panik, Verzweiflung und Ratlosigkeit lag in seinem Blick. Ich ahnte , was nun kommen würde, wollte es aber nicht wahr haben. Nicht, bevor er es nicht ausgesprochen hatte. „Was für ein Video?“, fragte ich erneut - diesmal mit einem Zittern in der Stimme.
    „ Unser Video.“
    „Wo?“, wollte ich wissen und merkte , wie sich mir der Magen umdrehte.
    Anstatt zu antwor ten, stand er auf und lief quer durch sein Zimmer. Dabei fuhr er sich immer wieder mit den Handflächen übers Gesicht.
    „ Etwa im Internet?“ Mein Puls raste, weil ich insgeheim die Antwort schon erahnte.
    „Scheiße, ja“, stieß Stefan verzweifelt hervor, was dazu führte, dass mein Magen sich krampfartig zusammenzog. Das war zu viel. Ich eilte zu seinem Schreibtisch und übergab mich in seinen Papierkorb. Stefans Hand strich warm über meinen Rücken und ich nahm das Taschentuch, das er mir reichte, dankend an. Erst als mein Magen komplett leer gepumpt war und der Geschmack von Galle bitter auf meiner Zunge lag, wischte ich mir den Mund ab. Aus glasigen Augen sah ich ihn an. Suchte in seinem Gesicht nach Zuversichtlichkeit, einem
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