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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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hinter mir, und während mein ganzer Körper zu Eis erstarrt, küsst er mich zärtlich auf den Nacken. »Entschuldige Schatz, ich stand im Stau.«
    »Wessen Stimme war das denn?«, fragt Maryam.
    »Toms …«
    Wenn man so als Eisklotz dasteht, dann tauen übrigens als Erstes die Knie. Was unvorteilhaft ist, denn zwangsläufig kippt man um. Mir wird schwarz vor Augen, das schnurlose Telefon fällt zu Boden, mein Kopf schlägt nur einen Augenblick später direkt daneben auf. Ich höre noch, wie Maryam raunzt: »Verdammt schlechte Arbeit, würde ich sagen.«

15
    Auch die beste Ohnmacht hat mal ein Ende. Ich liege auf dem Rücken und starre nach oben, und da schräg über mir die Wohnzimmerlampe von der Decke baumelt, dürfte ich mich auf dem Boden neben dem Esstisch befinden, in Schocklage, mit den Beinen auf dem Sofa. Lieber wäre ich weiter bewusstlos geblieben, das wäre so herrlich problemfrei und würde nicht so viele Fragen aufwerfen: Ist er noch da? Bin ich allein? Bin ich ein Fall fürs Irrenhaus?
    »Geht’s wieder, Schatz?«
    Das da, was aussieht, riecht und spricht wie mein Ehemann, den ich gerade erschossen habe, erwartet eine Antwort, es gibt sich ehrlich besorgt und fühlt am Hals meinen Puls.
    Nein, ich möchte nicht sprechen, und ich möchte mich auch nicht bewegen, sondern einfach so liegen bleiben. Dass MacLeod sich an mich heranschnüffelt, macht meine Lage nicht besser. Er will mich ablecken, und von unten sieht die Sabberblase, die ihm aus dem Maul hängt, so gigantisch bedrohlich aus wie ein Meteorit, dessen Aufprall die halbe menschliche Zivilisation auslöschen könnte, also kneife ich die Augen wieder fest zu und lasse dem Schicksal seinen Lauf. Was soll’s, es gibt Schlimmeres, als in Hundespucke zu ertrinken.
    Wenn das hier Tom ist, wer liegt dann oben tot auf dem Schlafzimmerteppich? Oder hatte er nur eine Spielzeugpistole in seiner Schublade – aber seit wann reißen Platzpatronen klaffende Wunden? Was ist hier los? Vielleicht bin ich ja immer noch im Kino, dann aber definitiv im falschen Film. Kann Kino-Eis Spuren von Designerdrogen enthalten? O Scheiße, ich muss auf einem blutigen Trip sein oder in einem billigen Beziehungszombiestreifen, wenn ich einen Tom erschieße, kommen dafür gleich drei andere als Untote um die Ecke. Horror! Darf ich bitte wieder ohnmächtig sein?
    Das da, was aussieht wie mein Mann, fragt: »Soll ich einen Arzt holen?«
    Ich schweige.
    »Oder erst mal ein Glas Wasser?«
    Ich öffne wieder die Augen.
    »Nicole, wie geht es dir? Hey …«
    Langsam, ganz allmählich hebe ich den Arm und zeige nach oben: »Ganz schön dreckig, die Lampe.« Zum Putzen müsste ich jetzt die Leiter aus dem Keller holen, ich bräuchte einen Lappen, Spüli und einen Eimer mit warmem Wasser … Ich war schon immer brillant darin, unangenehme Gedanken beiseitezudrängen, so habe ich auch den Studienabschluss vor mir hergeschoben, einfach weiterstudiert und gejobbt, bis ich dann bei
zwonullzwo
gelandet bin, und selbst in meinen wildesten Jahren bin ich ohne Schwangerschaftstest ausgekommen. Ich hab’s verdrängt, ich war zu feige: Was, wenn das Ergebnis positiv gewesen wäre? Einmal war ich, bis die Regel kam, drei Wochen drüber, rein als Ablenkung hätte ich mich in der Zeit sogar fast zum Examen angemeldet.
    Tom seufzt. »Besser? Kann ich noch was für dich tun?«
    »Geht schon.«
    »Dann zieh ich mich mal um.« Er steht auf.
    »Geh nicht nach oben …!«, flehe ich.
    »Warum?«
    Warum wohl? Weil auf dem Teppich in unserem Schlafzimmer ein Toter liegt und links neben der Tür das Projektil, das seinen Kopf durchschlagen hat, in der Wand steckt, und der Tote sieht genau so aus wie du, darum!
    Jetzt hätte ich gern das Glas Wasser, bitte! Tom holt es mir und verschwindet dann Richtung Schlafzimmer. Ich halte ihn nicht auf, nein, ich beschließe, liegen zu bleiben, weiter an meiner Strategie zur perfekten Wohnzimmerdeckenlampenreinigung zu feilen und die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen.
    Er müsste jetzt aber doch die Leiche sehen, er müsste schreien. Nein? Nichts.
    Ich fasse es nicht! Wozu mache ich mir die Mühe und hecke einen heimtückisch komplizierten Mordplan aus, wozu überwinde ich Angst und Skrupel und jage dem Wüstling eine Kugel durch den Kopf? Nur damit Tom, der mich, sein ihm angetrautes Weib, ich-weiß-nicht-wie-lange-schon mit dieser BH -gepushten Schlampe hintergeht, wenig später wieder gut gelaunt und hormonell sichtlich entspannt in der Tür steht? Mir
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