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Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis

Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis

Titel: Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis
Autoren: Laurell K. Hamilton
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    Der Mann starrte mich aus glasigen, blickleeren Augen an. Sein Kopf war noch mit der Wirbelsäule verbunden, aber die Brust hatte ein Loch, als hätten zwei große Hände unter die Rippen gegriffen und gezogen. Das Herz fehlte. Die Lungen waren auseinandergerissen, wahrscheinlich, als der Brustkorb nachgegeben hatte. Leber und Därme lagen auf einem nassen Haufen neben der Leiche, als wären sie herausgerutscht. Das untere Darmende befand sich noch in der Körperhöhle. Dem Geruch nach war klar, dass die Darmwand noch intakt war.
     
    Ich ging neben dem Toten in die Hocke. Das Blut war dem Mann bis ins Gesicht und in die grauen Haare gespritzt. Sehr gewaltvoll und sehr schnell. Ich sah in die toten Augen und empfand nichts. Ich war wieder im gefühllosen Zustand und beschwerte mich nicht darüber. Ich glaube, wenn ich diese Leiche als Erstes gesehen hätte, hätte mich das Grauen gepackt, doch die Leichenteile im Esszimmer hatten mein Gefühlsvermögen für diesen Tag aufgezehrt. Der Anblick war schrecklich, aber es gab Schlimmeres, und das lag im Nebenzimmer.
     
    Hier war auch nicht die Leiche das Interessante, sondern das Drumherum. Der Tote lag in einem Kreis aus Salz, neben ihm ein Buch, das so blutdurchtränkt war, dass ich die aufgeschlagenen Seiten nicht entziffern konnte. In diesem Zimmer waren schon alle Aufnahmen gemacht, darum zog ich mir die geborgten Handschuhe über und hob das Buch auf. Es war in geprägtes Leder eingebunden, aber ohne Aufschrift. Das Blut hatte die inneren Blätter so aufgeweicht, dass sie zusammenklebten.
     
    Ich versuchte erst gar nicht, sie zu lösen. Für solche heiklen Aufgaben gab es Fachleute beim FBI und bei der Polizei. Ich passte auf, dass mir das Buch nicht zuklappte und die Seite verschlug, die der Mann vielleicht gelesen hatte. Nach allem, was ich wusste, hatte das Buch auf dem Schreibtisch gelegen, den der Mann vor die Tür geschoben hatte, und es war heruntergefallen und hatte sich selbst aufgeschlagen. Aber wenn man das annahm, hieß das, wir hatten keinen Hinweis, und darum taten wir alle, als wäre gesichert, dass der Mann das Buch mit Absicht dort aufgeschlagen hatte. Während er von einem Monster gejagt wird, das eben noch seine Frau zerrissen hat, greift er zu einem Buch, öffnet es und fängt an zu lesen. Warum?
     
    Der Text war handgeschrieben, und was weiter vorn zu entziffern war, verriet, dass es ein Buch der Schatten war, quasi das Zauberbauch eines praktizierenden Hexers. Eines Hexers, der einer älteren, orthodoxen Tradition folgte anstatt der neuheidnischen Bewegung. Gardnerisch oder alexandrinisch vielleicht. Aber das war nicht sicher. Mit Hexenkulten hatte ich mich nur ein Semester lang beschäftigt. Von den Wicca-Anhängern, die ich persönlich kannte, praktizierte keiner eine ältere Tradition.
     
    Behutsam legte ich das Buch an seinen Platz zurück. Die Bücherregale an der Wand standen voll mit Werken der ParaForschung und Bänden über Mythologie, Volksbräuche und Wicca-Religion. Ein paar davon hatte ich auch zu Hause stehen. Die Bücher selbst bewiesen also noch nicht viel. Das entscheidende Indiz war der Altar, eine alte, hölzerne Truhe mit einer silbernen Decke darauf und silbernen Kerzenleuchtern mit halb heruntergebrannten Kerzen, in die Zeichen eingeritzt waren. Die Zeichen könnte ich nicht lesen.
     
    Zwischen den Kerzen stand ein rahmenloser, runder Spiegel, daneben eine kleine Schale mit trocknen Kräutern, eine größere Schale mit Wasser und ein geschnitztes Holzkästchen, das verschlossen war.
     
    »Ist das das, was ich vermute?«, fragte Bradley.
     
    »Ein Altar. Der Mann hat praktiziert. Das Buch könnte sein Buch der Schatten sein, sein Zauberbuch sozusagen.« »Was ist hier vorgegangen?« »Auf dem Boden im Esszimmer liegt Salz.«
     
    »Das ist nicht ungewöhnlich«, meinte Bradley.
     
    »Das noch nicht, aber ein Salzkreis schon. Ich glaube, er war irgendwo anders im Haus und hörte seine Frau schreien oder hat das Monster gehört. Irgendetwas hat ihn alarmiert. Er kam nicht mit einer Flinte gerannt, Bradley. Er kam mit einer Hand voll Salz. Vielleicht hatte er noch etwas anderes in der Hand oder bei sich, ein Amulett vielleicht. Ich sehe keins, aber das heißt nicht, dass es nicht hier ist.«
     
    »Wollen Sie sagen, dass er Salz nach dem Wesen warf?« »Ja.« »Warum, um Himmels willen?«
     
    »Salz und Feuer sind unsere ältesten Mittel der Reinigung. Ich benutze Salz, um einen Zombie wieder an sein Grab zu
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