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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition)
Autoren: Thea Derado
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Feldern des in der Nähe gelegenen Rittergutes pilgerten die Frauen. Ich schloss mich ihnen an, ausgerüstet mit Kartoffelhacke und Beutel, einem kleinen Säckchen, zum Kartoffel Stoppeln. So hieß das. Ob die Au sbeute überhaupt groß war, weiß ich nicht mehr.
    Im Spätsommer ging es auf die Getreid efelder, sobald sie frei gegeben waren. Die Stoppelfelder wurden nach restlichen Ähren abgesucht. Mühsam! Daheim wurden dann die Körner heraus gepuhlt und anschließend in der Kaffeemühle gemahlen. Ein bisschen Grütze oder Mehl ergab wenigstens mal eine Suppe.
    Im Spätherbst zur Rübenernte wieder diese Kohlrüben, die wir uns ja schon in den Kriegsjahren über gegessen hatten! Was Angenehmeres zu ernten gab es da nicht mehr. Aber der Winter nahte.
    Eines Tages ging ich mit anderen Kindern zum Güterbahnhof, in der Hoffnung, ein paar Briketts oder Bruchstücke davon aufheben zu können, die beim Umladen oder aus den ratternden Zügen herausgefallen waren. Viel war es wohl nicht, was ich heim brachte.
    Oh, wie waren wir arm geworden! Die Inflation und deren Folgen nahmen kein E nde!
     
    In dieser Zeit jagte ein Ereignis meiner Kinderseele einen großen Schrecken ein. Meine Mama und ich waren in der Stadt zum Einkaufen, vielleicht auch auf einen Schaufenster-Bummel, als uns plötzlich großes Geschrei in der Nähe der Post und ein Menschenauflauf aufschreckte. Unruhen waren in diesen Nachkriegsjahren an der Tagesordnung, die mitunter, so wie an diesem Tage heftig aufbrachen. Ein Lager war geplündert worden, und einige schlugen mit Speckseiten um sich, um ihr Diebesgut zu verteidigen. In der Post soll einem jungen Soldaten das Koppel, sein Ledergürtel, abgerissen worden sein. Kurz darauf rückte Militär an und es wurde scharf geschossen. Bald lagen Tote in den Grünanlagen.
    „Komm, Mama, wir müssen hier weg,“ drängte ich. Sie konnte aber nur ganz langsam gehen, da ihr Herz nicht viel leistete. Dennoch erreichten wir ohne Schaden u nser Heim. Mein Vater, der nach der Arbeit in das Getümmel gekommen war, hatte jedoch einen kleinen Streifschuss abbekommen.
    Die unruhigen und bedrückenden Jahre hielten lange an mit Inflation und Arbeitslosi gkeit. In dieser Zeit lieferten sich Kommunisten und erstarkende Nationalsozialisten häufig Straßenschlachten. Festnahmen folgten, was zur Folge hatte, dass es wiederholt zu Tumulten vor dem Gefängnis kam.
    Immerhin war ich da schon 10 Jahre alt und bekam sehr viel der Alltagssorgen, auch der Auseinandersetzungen zwischen den Eltern mit. Mein Vater verbrauchte für sich mehr, als der Familie gut tat.
    So nahm meine Mutter Heimarbeit an, eine schöne und glänzende, deren Ergebnis waren Posamenten, Schmuckelemente für die Schulterklappen. Dafür wurden lange hohle Metallröhrchen aufgefädelt, in der Mitte über einen Haken gehängt und mit einem bestimmten Gerät zu Spiralen gedreht, was viel Fingerspitzengefühl erforderte. Zu oft musste ich ihr beim Auffädeln behilflich sein, so dass ich immer nach einem Grund suchte, um mich davon loszueisen. Kam sie dahinter, dass ich nur einen Vorwand gesucht hatte, dann kriegte ich den Lohn: Meine Mama hatte eine nicht gerade zarte Hand!
    In früheren Jahren fertigte Mama auch künstliche Blumen, vermutlich für Kränze für irgend eine Fabrik an: schöne Chrysa nthemen, auch Hortensien und Kappblumen. Die Blütenblätter wurden dafür mit einem Rädchen, wie man es auch beim Schneidern verwendet, ausgestanzt.
     
    Etwas Trauriges sehe ich noch heute vor Augen: Ein Mädchen kam als brennende Fackel angerannt. Da sie genau aus unserer Richtung kam, dachten die Leute – einschließlich meiner Mama - anfangs, ich wäre das.
    Es war eine meiner Spielgefährden. Ihre Eltern hatten in unserer Nähe ein kleines Gärtchen und standen da nach Feierabend noch mit Bekannten, meine Mutter dabei, bei einem Schwätzchen.  Daheim sollte das Kind unterdessen Wasser heiß machen für die Abendwäsche. Zum Schutz der Kleider trugen wir damals Wachstuc hschürzen. Ein Funke des Streichholzes sprang über und setzte die Schürze in Brand. In ihrer Angst rannte sie hinaus zu ihren Eltern.
    Die Verbrennungen waren zu arg, sie konnte nie wieder unser Spielkamerad sein.
     
    17. Nov. 2004: (Buß- und Be ttag)
    Len is Wohnung ist um einen Gegenstand reicher geworden: Ein Wägelchen mit vier Rädern, einem Tablett und einem Drahtkorb. Auf einem Querbrett lässt sich auch mal ausruhen. Dass das Ding ‚Rollator’ heißt, haben wir erst mühsam
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